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Anidas Prophezeiung

Anidas Prophezeiung

Titel: Anidas Prophezeiung
Autoren: Susanne Gerdom
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Mädchen herangewachsen. Es würde schwer werden, einen guten Gatten für sie zu finden, um so mehr, als Ida über eine überaus scharfe Zunge verfügte, von der sie gerne und ausgiebig Gebrauch zu machen pflegte. Intelligent, widerborstig, eigensinnig und mit einem unbarmherzig scharfen Blick für die Schwächen ihrer Mitmenschen gesegnet, würde sie wahrhaftig keine liebenswürdige, anschmiegsame Gefährtin für einen Mann abgeben. Nun gut, noch war sie zu jung, als dass er sich ernsthaft mit ihrer Verheiratung hätte beschäftigen müssen. Und vielleicht geschah ja das Wunder, das sie in eine fügsame und sanftmütige junge Frau verwandeln würde.
    Joris prustete bei diesem Gedanken. Der alte Feddo verstummte mit verdutzt offen stehendem Mund. Der Lord richtete sich trotz seines protestierenden Rückens im Sitz auf und machte sich an die undankbare Aufgabe, den alten Fischer zu besänftigen und wieder einmal für ein halbes Jahr mit dem erhebenden Gefühl nach Hause zu schicken, Recht bekommen zu haben.

    Albuin hockte mit baumelnden Beinen auf der hüfthohen Mauer, die den Obstgarten von der Weide abtrennte. Aus zusammengekniffenen Augen blickte er über die weite Grasfläche, auf der friedlich die Pferde des Gutes weideten. Neben ihm lag vergessen ein Buch mit verschlissenem Einband, dessen vergilbte Blätter sich leicht im lauen Wind bewegten. Leise Schritte näherten sich aus dem Garten, und Albuin schrak heftig aus seinen Gedanken, als seine Schwester sich neben ihm auf die Mauer schwang und eine Hand voll Frühäpfel zwischen sie legte.
    Sie saßen eine ganze Weile in einträchtigem Schweigen kauend nebeneinander. Albuin starrte wieder in die Ferne, und Ida musterte ihn unter zusammengezogenen Brauen. »Was ist los, Albi?«, fragte sie endlich. »Hast du wieder Prügel von Simon bezogen?«
    Der blonde Jüngling schnaubte abfällig. » Herr Simon«, betonte er die förmliche Anrede, um seiner Schwester unter die Nase zu reiben, dass er ihre saloppe Anrede des Lord-Kämpen missbilligte, »Herr Simon hat heute ausnahmsweise darauf verzichtet, mich mit seinen Schwertkünsten zu demütigen. Stattdessen durfte ich unserem Vater dabei zusehen, wie er sich mit dem Gutsverwalter herumstritt und dabei beinahe vom Schlagfluss getroffen wurde.« Er biss sich auf die Unterlippe und wandte Ida ein zutiefst unglückliches Gesicht zu, das den spöttischen Ton seiner Worte Lügen strafte.
    »Ida, ich bin einfach nicht dazu geeignet, Vaters Aufgaben zu übernehmen. Ich fühle mich schrecklich, wenn ich mit diesen sturen Bauern reden muss, und ich hasse alles, was mit Jagd, Schwertern und der Verwaltung eines Hofes zu tun hat! Ich gehe viel lieber zu Magister Ugo in die Lehre und erlerne von ihm das Graue Handwerk.« Er verstummte, erschreckt über seine eigenen Worte.
    Ida starrte ihn an, ihre wechselhaften Augen waren von einem dunklen Rauchton. Das Licht der späten Nachmittagssonne färbte die roten und blonden Stellen in ihrem Haar leuchtend rot und verlieh den schwarzen Strähnen einen rötlichen Schimmer.
    Albuin seufzte und hob die Schultern. »Sag Vater nichts davon«, bat er leise. »Du weißt, wie er darüber denkt.« Ida nickte stumm. Sie griff ungeschickt nach seiner Hand und drückte sie voller Mitgefühl.
    Magister Ugo war ein Bruder des Grauen Ordens, der vor einigen Jahren im Dorf aufgetaucht war und sich trotz des offenen Misstrauens, das die Bauern ihm entgegenbrachten, dort niedergelassen hatte. Niemand wusste, weshalb er nach Sendra gekommen war und was ihn hier hielt, aber man gewöhnte sich schließlich an seine Gegenwart. Da Sendra seit dem Tod der alten Jenny keine Dorfhexe mehr hatte, und der Magister bei aller Zurückgezogenheit durchaus bereitwillig zu Hilfe eilte, wenn magische Fähigkeiten gefragt waren, hatten die Dorfbewohner ihn schließlich widerwillig akzeptiert und waren inzwischen sogar nicht wenig stolz darauf, dass ein echter Grauer Magier als Dorfhexer in ihrer Mitte weilte.
    Lord Joris hatte ihn zuerst davonjagen wollen. Er misstraute dem Zaubervolk, obwohl eine seiner Schwestern eine Weiße Hexe war. Aber dann siegte wie so oft seine ihm eigene Gutmütigkeit, die er so gerne hinter einem bärbeißigen Wesen verbarg. Solange sich die Bauern nicht über den Magister beschwerten, hatte er knurrig zu Ysabet gesagt, habe er wohl kaum eine Veranlassung, ihn von seinem Land zu weisen.
    »Ich finde ihn ganz schön unheimlich«, sagte Ida gedankenverloren. »Er sieht dir bis auf den Grund des
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