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Androidenträume

Titel: Androidenträume
Autoren: John Scalzi
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auszulösen. James’ Aorta war mit Fettablagerungen vollgepackt wie eine Teigtasche, das Endresultat von 53 Jahren täglichen Fleischkonsums. Dr. Atkinson hatte James immer wieder ermahnt, sich etwas ausgewogener zu ernähren oder ihm zumindest zu gestatten, antisklerotische Nanobots in seine Arterien zu injizieren. Doch James hatte nicht auf ihn gehört. Es ging ihm gut, er liebte Fleisch, und er wollte keine Behandlung vornehmen lassen, die seiner Krankenversicherung den nötigen Vorwand verschaffte, seine Beiträge zu erhöhen. Stattdessen hatte James’ Herzinfarkt nur auf einen geeigneten Vorwand gewartet. Wenn es nicht zu diesem Zeitpunkt geschehen wäre, dann in naher Zukunft. In sehr naher Zukunft.
    Dirk wollte nichts davon hören. Er wusste genau, wer verantwortlich war. Er hatte seinen toten Vater gefunden, hatte die Benachrichtigung gelesen und wenig später erfahren, dass einen Tag nach dem Besuch des Botschafters in Moellers Metzgerei eine Delegation der Nidu zum Reservat der Nugentianer in Michigan geflogen war, um einen Vertrag über die direkte Belieferung mit Hirschfleisch abzuschließen, wobei sie die Informationen nutzten, die James Moeller im Gespräch gutgläubig preisgegeben hatte. Als der Nidu-Botschafter durch die Ladentür getreten war, hatte er bereits gewusst, dass Moellers Metzgerei schon in wenigen Tagen den Geschäftsbetrieb einstellen würde. Trotzdem hatte er sich von Dirks Vater mit Fleisch und Informationen beschenken lassen, ohne auch nur den leisesten Hinweis auf die bevorstehende Entwicklung zu geben.
    Vielleicht war es sogar besser so, dass sein Vater zu diesem Zeitpunkt gestorben war, dachte Dirk für sich. Spätestens wenn er gesehen hätte, wie das Geschäft seines Großvaters abgerissen wurde, hätte er auf jeden Fall einen Herzinfarkt erlitten.
    In der Geschichte und der Literatur wimmelte es von Helden, die sich berufen fühlen, den Tod ihrer Väter zu rächen. Auch Dirk machte sich mit grimmiger Entschlossenheit an diese Aufgabe und verfolgte sie über eine Zeitspanne, neben der sich Hamlet wie der Archetypus der zwanghaften Tatkraft und gehetzten Ungeduld ausgenommen hätte. Mit der Entschädigung, die die Regierung für Moellers Metzgerei gezahlt hatte, schrieb sich Dirk an der Johns Hopkins University ein Stück die Straße hinunter in Baltimore ein und machte einen Abschluss in interplanetarer Politologie. Der Studiengang an der Hopkins gehörte zu den besten dreien des Landes, neben Chicago und Georgetown.
    An letzterer Uni graduierte Moeller und wurde zum äußerst begehrten Fach zugelassen, indem er sich einverstanden erklärte, sich auf die Garda zu spezialisierten, ein saisonal intelligentes Volk von Röhrenwürmern, deren derzeitige Botschaft auf der Erde sich auf dem ehemaligen Gelände des Marine-Forschungsinstituts befand. Doch kurz nachdem Moeller mit seinem Studium begonnen hatte, setzte bei den Garda die Saison der Inkompetenz ein, eine Phase der Völlerei, der Paarung und der verringerten Hirnaktivität, die mit dem Beginn des Uuuchi zusammenfiel, einer herbstlichen Jahreszeit auf Gard, die nach irdischen Begriffen drei Jahre und sieben Monate lang anhalten würde. Da Moeller nur für einen sehr kurzen Zeitraum mit den Garda zusammenarbeiten konnte, wurde ihm gestattet, eine zweite Forschungsrichtung zu wählen. Er entschied sich für die Nidu.
    Nachdem Moeller seine erste größere Arbeit abgeliefert hatte, eine Analyse der Rolle der Nidu in der Zeit, als sie den Vereinten Nationen der Erde geholfen hatten, einen Sitz in der Großen Konföderation zu erringen, kam Moeller in Kontakt mit Anton Schroeder, dem UNE-Beobachter und ersten offiziellen Repräsentanten in der GK. Später hatte Schroeder diese Funktion aufgegeben und war zum Leiter des Amerikanischen Instituts für Kolonisation geworden, ein außerhalb von Arlington ansässiges Expertenkollegium, das die menschliche Besiedlung anderer Planeten förderte, ob nun mit oder ohne Zustimmung der Großen Konföderation.
    »Ich habe Ihre Arbeit gelesen, Mr. Moeller«, hatte Schroeder ohne weitere Einleitung gesagt, als er Moeller auf seinem Bürokommunikator anrief. Schroeder ging (korrekterweise) davon aus, dass Moeller seine Stimme wiedererkannte, die durch Tausende von Ansprachen, Nachrichtensendungen und Talkshows berühmt geworden war. »Sie haben bemerkenswert viel Mist geschrieben, aber dieser Mist ist auf sehr interessante Weise bemerkenswert, und ein Teil davon kommt – rein zufällig, wie ich
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