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anderbookz Short Story Compilation II

anderbookz Short Story Compilation II

Titel: anderbookz Short Story Compilation II
Autoren: Joyce Carol Oates , Peter Straub , Jewelle Gomez , Thomas M. Disch , Ian Watson , Robert Silverberg
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Haare an der Tür, sehr viel mehr am Bett - als habe das Tier dort eine Weile gelegen, sich gar gewälzt (wie Miranda es draußen auf der Terrasse in der Sonne zu tun pflegte), die graziösen Glieder hingebungsvoll von sich gestreckt. Oft genug hatte Mr. Muir das erstaunlich genießerische Gehabe der Katze bei solchen Anlässen bewundert, eine Lust des Fleisches (und des Fells), zu der er keinen Zugang hatte. Schon vor der Verschlechterung ihrer Beziehung hatte es ihn immer wieder gedrängt, einfach hinzugehen und kräftig mit dem Absatz auf diesen zarten, ungeschützten, rosablassen Bauch zu treten ...
    »Miranda? Wo bist du? Bist du noch da?« fragte Mr. Muir kurzatmig. Als er sich jetzt nach dem langen Hocken mühsam aufrichtete, taten ihm die Beine weh.
    Mr. Muir suchte das ganze Zimmer ab, aber die weiße Katze war offenbar verschwunden. Er ging auf den Balkon, lehnte sich ans Geländer, blinzelte in die von mattem Mondlicht durchdrungene Dunkelheit, sah aber nichts; verstört, wie er war, hatte er vergessen, die Brille aufzusetzen. Minutenlang atmete er die feuchtwarme Nachtluft ein und versuchte so, wieder zur Ruhe zu kommen, aber irgend etwas stimmte nicht. Er meinte leises Gemurmel zu hören ... eine Stimme? Stimmen?
    Dann sah er sie: eine geisterhaft weiße Erscheinung im Gebüsch. Mr. Muir blinzelte, machte große Augen, konnte aber nichts Genaues ausmachen. »Miranda ...?« Über ihm trappelte und raschelte es. Er drehte sich um. Auf dem Steildach bewegte sich etwas Weißes, stieg just in diesem Moment behende über den Dachfirst. Er blieb - vor Angst oder aus Berechnung, das hätte er nicht zu sagen gewußt - regungslos stehen. Daß es mehr als eine weiße Katze, mehr als eine weiße Perserkatze, ja, mehr als eine Miranda gab, war eine Möglichkeit, die er bisher nicht in Betracht gezogen hatte. »Aber vielleicht ist das des Rätsels Lösung«, sagte er sich, bei aller Angst konnte er so klar und scharf denken wie eh und je.
    Es war nicht sehr spät, noch nicht mal eins; das Gemurmel erwies sich als Alissas Stimme, hin und wieder unterbrochen durch ihr silberhelles Lachen. Man hätte fast meinen können, es sei jemand bei ihr im Zimmer ... aber natürlich führte sie nur eins ihrer nächtlichen Telefongespräche, vermutlich mit Alban ... Wahrscheinlich hechelten sie wieder einmal in aller Harmlosigkeit ihre Kolleginnen und Kollegen, gemeinsame Freunde und Bekannte durch. Alissas Balkon lag auf der gleichen Seite wie der von Mr. Muir, was erklärte, daß ihre Stimme (oder waren es nicht doch Stimmen? Mr. Muir horchte verwirrt) so deutlich zu hören war. Er sah kein Licht in ihrem Zimmer. Sie telefonierte offenbar im Dunkeln.
    Mr. Muir wartete noch ein paar Minuten, aber die weiße Erscheinung dort unten im Gebüsch war verschwunden. Und das Schieferdach über ihm, das in matten, ungleichmäßigen Flecken das Mondlicht zurückwarf, war leer. Er war allein und beschloß, sich wieder hinzulegen, sorgte aber vorher noch dafür, daß er auch allein blieb. Er schloß alle Fenster und die Tür ab und schlief bei Licht, dabei aber so tief und fest, daß er erst durch Alissas Klopfen erwachte. »Julius? Julius? Hast du was, Liebling?« rief sie. Überrascht sah er, daß es fast zwölf war. Er hatte viel länger geschlafen als sonst.
    Alissa verabschiedete sich, sie hatte es eilig; eine Limousine würde sie in die Stadt bringen, wo sie mehrere Tage hintereinander zu tun hatte; sie machte sich Sorgen um ihn, um seine Gesundheit, hoffentlich doch nichts Ernstes ... »Aber nein«, sagte Mr. Muir gereizt. Nach dem späten Aufstehen war er benommen und desorientiert, der lange Schlaf hatte ihn nicht erquickt. Als Alissa ihn zum Abschied küßte, war es, als ließe er ihren Kuß nur notgedrungen über sich ergehen, und als sie aus dem Haus war, mußte er sich zusammennehmen, um nicht mit dem Handrücken über den Mund zu fahren.
    »Gott helfe uns« flüsterte er.

    Mr. Muirs zunehmend verdüsterte Gemütslage brachte es mit sich, daß er nach und nach die Freude am Sammeln verlor. Als ein Antiquar ihm eine seltene Oktavausgabe des »Directorium Inquisitorum« anbot, berührte ihn das so wenig, daß er sich den Schatz von einem Mitbewerber wegschnappen ließ. Wenige Tage später reagierte er womöglich noch lauer auf die Chance, bei einer Quartausgabe von Machiavellis »Belfagor« mitzubieten. »Haben Sie irgendwas, Mr. Muir?« fragte ihn der Händler. (Sie waren seit einem Vierteljahrhundert miteinander im Geschäft.) »
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