Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anbetung

Anbetung

Titel: Anbetung
Autoren: D Koontz
Vom Netzwerk:
Eidotter gebraten.
    Meine Heimatstadt Pico Mundo liegt in jenem Teil von Südkalifornien, in dem man trotz des ganzen Wassers, das über das staatliche Aquäduktsystem herbeitransportiert wird, nie vergessen kann, dass der wahre Zustand der Gegend wüstenhaft ist. Im März backen wir. Im August, um den es sich gerade handelte, brutzeln wir.
    Der Ozean liegt so fern im Westen, dass er für uns nicht wirklicher ist als das Meer der Ruhe, jene weite, dunkle Ebene auf dem Antlitz des Mondes.
    Wenn Bauarbeiter den Boden am Stadtrand für eine neue Batterie von Fertighäusern aufwühlen, stoßen sie bei tieferen Grabungen gelegentlich auf reiche Adern von Meeresmuscheln. In uralter Zeit sind Wellen an diese Küsten geschwappt.
    Hält man eine dieser Muscheln ans Ohr, so hört man nicht die Brandung, sondern nur einen trockenen, traurigen Wind, so als hätte die Muschel ihren Ursprung vergessen.
    Am unteren Ende der Außentreppe, die von meiner kleinen Wohnung in den Garten führt, wartete Penny Kallisto in der frühen Sonne wie eine Muschel am Strand. Sie trug rote Turnschuhe, weiße Shorts und eine ärmellose weiße Bluse.
    Normalerweise hatte Penny nichts von der vorpubertären Verzweiflung an sich, für die manche Kids heutzutage so empfänglich sind. Sie war eine überschäumende, extrovertierte Zwölfjährige, die gern lachte.
    An diesem Morgen sah sie jedoch ernst drein. Ihre blauen Augen verdunkelten sich wie das Meer, wenn eine Wolke darüber zieht.
    Ich warf einen Blick auf das fünfzehn Meter entfernte Haus, wo meine Vermieterin Rosalia Sanchez mich jeden Augenblick
erwartete, um von mir bestätigt zu bekommen, dass sie im Lauf der Nacht nicht verschwunden ist. Der Blick in einen Spiegel reichte nie aus, um ihre Ängste zu besänftigen.
    Ohne ein Wort zu sagen, wandte Penny sich von der Treppe ab. Sie ging auf den vorderen Teil des Grundstücks zu.
    Aus Sonnenschein und ihren eigenen Silhouetten woben zwei gewaltige Kalifornische Lebenseichen Schleier aus Gold und Purpur und warfen sie über die Einfahrt.
    Penny schien abwechselnd zu schimmern und sich zu verdüstern, als sie durch dieses feine Gewebe aus Licht und Dunkel ging. Den Glanz ihres blonden Haars dämpfte nur ein schwarzes Spitzentuch aus Schatten, dessen kunstvolles Muster sich durch ihre Bewegungen veränderte.
    Um sie nicht aus den Augen zu verlieren, eilte ich die letzte Stufe hinunter und folgte ihr. Mrs. Sanchez würde noch eine Weile warten und sich Sorgen um ihre Sichtbarkeit machen müssen.
    Penny führte mich am Haus vorbei und von der Einfahrt weg zu einem Vogelbad auf dem Rasen. Rund um den Sockel, der das Becken trug, hatte Rosalia Sanchez eine ganze Sammlung von Muscheln arrangiert, die man aus den Hügeln von Pico Mundo geschaufelt hatte, in allen Größen und Formen.
    Penny bückte sich, wählte ein Exemplar von der Größe einer Orange aus, richtete sich wieder auf und streckte es mir hin.
    Der Bau ähnelte der einer Schneckenmuschel. Das raue Äußere war braun-weiß, das polierte Innere glänzte in perlenartigem Rosa.
    Penny wölbte die rechte Hand, als läge die Muschel noch immer darin, und hielt sie sich ans Ohr. Sie legte lauschend den Kopf schräg, um auszudrücken, was ich tun solle.
    Als ich die Muschel ans Ohr hielt, hörte ich nicht das Meer.
Auch den melancholischen Wüstenwind, den ich vorhin erwähnt habe, hörte ich nicht.
    Stattdessen erklang aus der Muschel das raue Atmen einer Bestie. Der drängende Rhythmus eines grausamen Verlangens, das Grunzen wahnsinniger Begierde.
    Inmitten der Sommerwüste kroch mir der Winter ins Blut.
    Als Penny an meinem Gesichtsausdruck sah, dass ich gehört hatte, was ich hören sollte, ging sie quer über den Rasen zum Bürgersteig. Am Bordstein blieb sie stehen und blickte zum westlichen Ende der Marigold Lane.
    Ich ließ die Muschel fallen, stellte mich neben sie und wartete mit ihr.
    Das Böse kam. Ich fragte mich, wessen Gesicht es wohl trug.
    Alte Lorbeerfeigen säumen diese Straße. Ihre großen, knorrigen Wurzeln haben den Beton des Bürgersteigs stellenweise aufgebrochen und hochgewölbt.
    Nicht einmal der leiseste Lufthauch strich durch die Bäume. Der Morgen war so unheimlich still wie die Dämmerung am Tag des Jüngsten Gerichts einen Atemzug, bevor der Himmel aufreißt.
    Wie das Haus von Mrs. Sanchez sind die meisten Gebäude des Viertels im viktorianischen Stil erbaut und mit mehr oder weniger kitschigen Verzierungen versehen. Als Pico Mundo im Jahre 1900 gegründet wurde,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher