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Anastasya (German Edition)

Anastasya (German Edition)

Titel: Anastasya (German Edition)
Autoren: Kerstin Mitterer
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sollte? – Ja, das hatte ich. Ich war lange genug Vorbild gewesen, aber das hatte sich als sinnlos erwiesen. Er kapierte es einfach nicht. Es ging nicht mehr darum, irgendwie um die Runden zu kommen und möglichst nicht zu sterben. Es ging darum dieses scheiß Leben ein bisschen zu genießen und die vielleicht letzten Jahre ohne irgendwelche Sorgen zu leben.
    Denn immer und immer wieder gab es ein paar Idioten, die unvorsichtig waren. Die konnten sich dann zwar gleich aus diesem Leben verabschieden, aber die Menschen vergaßen nicht, was sie gesehen hatten. Sie merkten es sich und redeten darüber. Immer mehr kamen dahinter. Das Problem war, dass sie das dann auch nicht gerade geheim hielten. Natürlich gab es keine Berichte in den Nachrichten darüber, das hätte eine Massenpanik ausgelöst, und veranlasst, dass sich die Menschen gegenseitig ausrotteten. Das taten sie zwar so auch, aber es wäre viel extremer, wenn sie sich gegenseitig beschuldigen würden.
    Die Menschen hatten keine Ahnung, in welcher misslichen Lage sie sich befanden – was eigentlich gut für sie war, aber ich beneidete sie trotzdem nicht darum.
    „Willst du jetzt wissen, weswegen ich hier bin?“, fragte er. Ich nickte, obwohl es mir egal war und hörte ihm zu, obwohl ich wollte, dass er sofort verschwand und nie wieder kam. „Also… Ich weiß nicht wie du jetzt gleich reagieren wirst, aber ich sag‘s dir jetzt einfach… Unsere Mutter ist tot, naja was heißt tot… sie wurde gestern mitgenommen. Angeblich wurde sie bei irgendwas gesehen und es hat wieder einen Vorfall mit den Menschen gegeben… Ob es dich interessiert oder nicht, jetzt sind nur noch wir beide übrig…“
    „Thalia?“, fragte ich nach meiner kleinen Schwester.
    „Die haben sie auch mitgenommen… Denkst du, dass sie ihr was tun werden?“, fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf. Wieso sollten sie? Das Kind hatte nichts getan… Es traf keine Schuld. Mich auch nicht, dennoch konnte ich mir vorstellen, dass sie mich bald suchen würden, weil irgendjemand ja auf den Balg aufpassen musste. Daniel würde damit sicher nicht glücklich sein.
    „Was soll ich jetzt machen?“, fragte er mich.
    Ich zuckte die Schultern. „Ist mir egal… Haben sie dich etwas gefragt?“ Sie würden ihn wohl kaum eiskalt ignoriert haben. Das passte nicht zu ihnen. Sie waren die Leibgarde der hohen Familie, die eigentlich den ganzen Tag in ihrer Burg saß und scheinbar nichts tat. Hin und wieder gingen sie raus jagen, aber man sah sie ziemlich selten. Wenn, dann ließ man sich auch nicht sehen. Man wollte ja nichts Falsches sagen, und der jähzornigen Estefania wollte man schon gar nicht alleine im dunklen Wald begegnen.
    „Ich bin sofort geflohen, als sie kamen“, erklärte er stolz. Ich riss die Augen weit auf.
    Sie haben ihn sicher gesehen.
Sie werden ihn suchen, seinem Geruch (einer sehr intensiven Mischung aus Angstschweiß und dem Dunst der Verwesung) folgen.
    Sie werden hier her kommen.
„Du bist ein Idiot“, sagte ich nur und zerrte ihn Richtung Tür. „Du hast sie hier her gelockt! Jetzt hau endlich ab und lass mich in Ruhe“, sagte ich und schob ihn raus auf den Gang.
    „Aber wo soll ich denn hin?“
    „Interessiert mich nicht!“, rief ich und warf die Tür zu.
    Ich wollte nicht, dass die Leibgarde der hohen Familie hier auftauchte. Wenn man mit ihnen sprach musste man genau darauf achten, was man sagte. Und das lag mir nicht besonders.
    Die Typen waren nie gut gelaunt und stellten immer blöde Fragen, auf die ich normalerweise blöde Antworten gab, aber in diesem Fall war das zu vermeiden.
    Aber sie würden kommen, Adam hatte sie hergelockt. Und sie folgten seiner Spur, egal ob sie merkten, dass diese gleich wieder hier wegführte, sie würden mit mir reden wollen, oder mit Daniel. Ich musste ihn finden. Es würde nicht lange dauern, bis sie da waren. Der Weg von meiner Heimat in Russland bis hierher war lediglich ein mehrstündiger Spaziergang…
    Ich hatte in einem kleinen Dorf in der Nähe von Moskau gelebt. In einer winzigen Wohnung im obersten Stockwerk eines kleinen Hochhauses. Jeden Tag war ich die Treppen ins fünfte Stockwerk nach oben gelaufen, weil im dritten Stock ein anderer Vampir gewohnt hatte, der mir einmal gesagt hatte, dass er mir, wenn er mich noch einmal alleine irgendwo auffinden würde,  den Kopf abreißen würde.
    Meine Kindheit war ein Alptraum. Jeden Tag sah ich, dass sich die Menschen in den Tod tranken, von irgendwelchen Brücken sprangen… die
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