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Anastasya (German Edition)

Anastasya (German Edition)

Titel: Anastasya (German Edition)
Autoren: Kerstin Mitterer
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gemeinsam.
    Etwas, das mir besonders gefiel war, dass er mich gerne zeichnete. Ich musste einfach stundenlang in derselben Pose irgendwo sitzen oder ste hen (vorzugsweise nackt) und er korrigierte es ununterbrochen. Wenn es am Ende nicht aussah wie ein Schwarz-Weiß-Foto, dann war er damit nicht zufrieden. Er meinte, er musste meinen perfekten Körper perfekt zeichnen.
    Einmal hatte ich ein ganz weites T-Shirt getragen und er hatte allein für die Falten mehrere Stunden gebraucht. Es war nicht so, dass mir die Zeit davon lief, oder dass ich in der nächsten Zeit sterben würde, aber mir sch liefen auch irgendwann die Muskeln ein, wenn ich irgendwie mehr oder weniger auf einem Baum saß/hing und mich nicht bewegen durfte.
    Ich will mich aber nicht darüber beschweren, dass er mich so zeichnete, wie ich aussah. Ich wäre sicher nicht begeistert gewesen, wenn er einfach ein Strichmännchen hingezeichnet hätte. Und solange er nicht anfing, seine Wohnung mit den Bildern vollzuhängen, war es auch okay, dass eines davon über dem Bett hing.
    Ich betrachtete das Bild wieder einmal. „Weswegen hast du das da nochmal hingehängt?“, fragte ich ihn entgeistert. Es war ein ungutes Gefühl, von mir selbst angestarrt zu werden. Vor allem war es ziemlich unheimlich, wenn man in Lebensgröße nackt an der Decke hing.
    Er hatte mich so wahnsinnig gut gezeichnet. Meine Augen waren schwarz, sie hatten etwas Dunkles, Beunruhigendes an sich. Das gefiel mir nicht. Ich fände es auch komisch in einen Spiegel zu sehen und mich dann selbst anzugrinsen. 
    Apropos Spiegel. M enschen hatten ja auch nicht wirklich Glück damit, sich selbst betrachten zu können, denn alles was ihnen dabei einfiel war, dass ihre Beine zu mollig, ihre Hüften zu breit, ihre Brüste zu klein und ihr Gesicht zu rund, war. Ich hatte diese Probleme nicht. Naja es fand sich generell kein pummeliger Vampir auf dieser Welt, wenn dann waren sie abgemagert. Aber die abgemagerten waren in der Regel kurz vorm Verrecken – es gab sie also selten.
    „Wenn ich in der Nacht nach oben starrte, sehe ich dich“
    „Aber wenn du mich sehen willst, kannst du dich auch zur Seite drehen“, beteuerte ich.
    „Ja, schon, aber es hängt nicht nur da, weil ich dich sehen will. Es hängt da, damit Frau weiß, dass sie hier nichts verloren hat“, erklärte er mir abermals. Ich musste grinsen. Er meinte, dass es eventuell einmal vorkommen könnte, dass jemand hier einbrach und im Bett auf ihn wartete. Denn er hatte nie eine andere als mich.
    „Denkst du ich habe mein Revier nicht ausreichend markiert?“, fragte ich grinsend.
    „Das bezweifle ich. Jared meint immer, dass ich nach dir rieche, aber das glaube ich ihm nicht“, antwortete er, legte sich wieder auf mich und küsste mich.
    Jared war sein bester Freund, er war vor einem halben Jahrhundert mit ihm aus Großbritannien geflohen und hier her gekommen. Österreich war klein und in den letzten Jahren regnete es hier viel. Ich konnte zwar bedenkenlos in die Sonne gehen, aber ich mochte das Licht trotzdem nicht besonders. Da musste man immer genau aufpassen, was man tat und wie schnell man sich fortbewegte. Denn die Menschen waren ziemlich neugierig und sahen scheinbar alles, vermutlich weil es so viele von ihnen gab. Viel zu viele. Vor allem hier in dieser Stadt. Graz war riesig und prall gefüllt mit neugierigen Menschen.
    Ich liebte den Regen und das düstere Zwielicht. Es war viel poetischer, jemanden im feuchtnassen morgentau den letzten Tropfen Leben aus dem Leib zu saugen als bei 40 Grad und intensivster Sonnenbestrahlung. Noch dazu hasste ich den Geruch von Menschenschweiß.
Wir bewohnten eine kleine Wohnung in Graz, setzten uns aber immer wieder in den Alpen bei Jared ab (wir gingen idiotischerweise oft Wandern, weil man die Leichen dann ziemlich praktisch loswerden konnte. Man musste sie nur den nächsten Hang runter werfen und die Menschen glaubten, er wäre abgestürzt. Natürlich war es dann äußerst ungünstig wenn es Winter war – vor allem, wenn die Ski-WM stattfand – denn da gab es zu viele Zeugen, aber hin und wieder wurden Menschen vermisst gemeldet). Jared hatte dort eine kleine Hütte mit zwei Schlafzimmern.
    Mir persönlich gefiel die ländliche Atmosphäre mehr, weil ich tun konnte, was ich wollte und keine Zeit damit verschwenden musste, mich vor jemandem zu verstecken.
    Wir schmusten. „Hör auf, mich anzulügen“, zischte ich zwischen zwei Küssen.
    „ Ich lüge nicht“, erklärte er, “Nicht
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