Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Titel: Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes
Autoren: Alexandra Marinina
Vom Netzwerk:
Preisen in Dollar und in türkischen Lira, sie ließen sich die Kleidungsstücke in verschiedenen Farben und Größen zeigen und kauften nichts. Ljuba riss hektisch Kleiderpakete auf, breitete die Stücke auf dem Ladentisch aus, pries ihre Qualität an, wühlte beflissen in den Regalen, um das zu finden, was gewünscht wurde, aber sie wusste genau, dass es umsonst war. Ihre russischen Landsleute hielten sie einfach zum Narren und genossen es, dass sie sich so ausführlich mit ihnen abgab.
    Anfang Juni tauchte plötzlich Mila auf, behängt mit goldenen Ketten und Armreifen. Sie war schlanker geworden und wirkte höchst zufrieden mit sich selbst. Ljuba zweifelte nicht daran, dass sie ihre Schlankheit ihrer ausgiebigen körperlichen Betätigung zu verdanken hatte.
    »Ich fliege nach Moskau«, verkündete sie. »Hast du irgendwelche Bitten oder Aufträge für mich?«
    Ljuba schrieb schnell einen kleinen Brief an Strelnikow, sie schob ihn in ein Kuvert und versah es mit seinen Telefonnummern, der privaten und der geschäftlichen.
    »Ist das alles?«, fragte Mila verwundert.
    »Das ist alles. Vorläufig gibt es nichts, womit ich mich rühmen könnte, wie du weißt, deshalb habe ich auch nichts zu berichten. Und meine Eltern rufe ich sowieso regelmäßig an.«
    »Wie du meinst«, sagte die Freundin mit einem Schulterzucken.
    Ende Juli teilte der Haus- und Ladenbesitzer Ljuba endlich mit, dass sie ihm nun nichts mehr schulde und frei sei. Zu dieser Zeit hatte sie Bekanntschaft mit zwei jungen Kasachen gemacht, die in der Türkei studierten und in den Semesterferien dieselbe Arbeit machten wie Ljuba, der eine in einem Pelzgeschäft, der andere bei einem Juwelier. Es waren zwei fröhliche, unverzagte Burschen, die sich ihrer Arbeit nicht schämten und sich offenbar nicht erniedrigt fühlten. Sie erklärten Ljuba, dass sie von Anfang an einen Fehler gemacht hatte. Sie hätte sich nicht auf monatliche Entlohnung für ihre Arbeit einlassen dürfen, sondern darauf bestehen müssen, dass der Hotelbesitzer sie täglich bezahlte. Das sei hier so üblich.
    Die jungen Kasachen halfen Ljuba schließlich, eine andere Arbeit zu finden, eine, die nicht so demütigend für sie war und ihr eine wenigstens minimale Perspektive eröffnete, früher oder später nach Hause zurückzukehren. Es handelte sich um die Stelle des Managers im Restaurant Dupont in Kemer.
    Das Wort »Manager« erwies sich natürlich als Euphemismus, in Wahrheit ging es auch hier darum, russische Gäste anzulocken und für sie zu dolmetschen. Der Restaurantchef musterte Ljuba wollüstig von Kopf bis Fuß und stellte ihr seine Bedingungen. Für jeden russischen Gast, der durch ihre Bemühungen das Restaurant aufsuchte, würde sie einen Dollar bekommen. Der Preis für Kost und Logis betrug je fünfzehn Dollar pro Tag. Das hieß, dass Ljuba täglich für mindestens dreißig Restaurantbesucher zu sorgen hatte, um ihren Aufenthalt im Dupont zu finanzieren. Alles, was sie darüber hinaus verdienen würde, würde man für das Ticket nach Moskau und die fällige Visagebühr zurücklegen. Dafür musste eine Summe von annähernd fünfhundert Dollar auflaufen. Ljuba arbeitete von zwölf bis vierundzwanzig Uhr. Sie musste die Vorübergehenden zu einem Restaurantbesuch animieren, ihnen bei der Auswahl der Speisen helfen, erklären, woraus sie zubereitet waren, sie musste freundlich und liebenswürdig sein und alles dafür tun, dass die Gäste sich wohl fühlten, dass sie wiederkamen und Freunde mitbrachten. Und dass sie so viel wie möglich bestellten.
    Draußen vor dem Restaurant flanierten braun gebrannte, lebensfrohe Urlauber in Badeanzügen, die noch feucht waren vom Schwimmen im Meer. Moskauer wie Ljuba selbst, aber sie kamen ihr vor wie die Bewohner eines anderen Sterns. Sie stürzte auf sie zu, versuchte, sie zu einem Restaurantbesuch zu überreden, und bot ihnen ihre Hilfe bei der Auswahl der Speisen an, aber meistens traf sie ein hochmütiger, kalter Blick.
    »Ich spreche englisch und brauche Ihre Hilfe nicht.«
    In der Regel stammten diese Worte von eleganten, langbeinigen Damen, die auf eine unbestimmte Art Mila glichen. Sie wollten nicht als Russinnen in diesem Urlaubsparadies gelten, sie wollten Ausländerinnen sein, die in einem Hotel mit internationalem Standard wohnten und fließend die englische Sprache beherrschten. Sie wollten sein wie die Deutschen, die Engländer, die Dänen, die Italiener und Australier, die im September und Oktober Kemer bevölkerten.
    An
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher