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Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Titel: Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain
Autoren: Alexandra Marinina
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sind, heißt nur, daß Gruschin auf irgend etwas sehr Wichtiges gestoßen ist. Was gehen da für wichtige Dinge bei uns vor, von denen wir nichts wissen? Können Sie mir das erklären?«
    »Wir sind keine Götter, Eduard Petrowitsch«, erwiderte sein Gegenüber ganz ruhig. »Wenn wir über alles und jeden Bescheid wüßten, hätten wir nicht die Probleme beim Kampf gegen das Verbrechen. Warum sind Sie eigentlich so außer sich? Es ist doch nicht das erste Mal, daß Sie einen Mann verlieren.«
    »Bisher habe ich aber immer gewußt, warum und wer dahintersteckt, sogar dann, wenn Sie nichts davon wußten. Aber jetzt habe ich die Situation nicht mehr im Griff, und das macht mir große Sorgen. Die Aufklärungschancen sind, wenn ich Sie richtig verstehe, gleich null?«
    »Minimal«, bestätigte sein Gegenüber und hob bedauernd die Hände.
    »Natürlich«, pflichtete Denissow betrübt bei. »Der Name Makarow ist kein wirklicher Anhaltspunkt. Könnte auch Iwanow oder Sidorow heißen. Alle Makarows in der Stadt abzuchecken, dazu fehlt Ihnen die Zeit. Zumal er vielleicht gar nicht von hier ist, wenn man berücksichtigt, daß diese Leute aus anderen Städten kommen. Welche Vorschläge können Sie mir machen?«
    »Nur einen einzigen. Jemanden in die ›Doline‹ schicken. Wenn einer dort hockt, kriegt er vielleicht heraus, wer dieser Makarow ist.«
    »Haben Sie jemanden dafür?«
    »Machen Sie Witze? Ich habe nur eine Handvoll Männer. Für ein oder zwei Wochen könnte ich vielleicht jemanden freisteilen, aber nicht länger. Wir ersticken sowieso schon in Arbeit.«
    »Na gut, dann schicke ich einen von meinen Leuten. Übrigens, da wir schon mal zusammensitzen, lassen Sie uns gleich die Bilanz für die nächsten fünf Monate machen. Eine durchschnittliche Aufklärungsrate vorausgesetzt, können wir uns nicht mehr als zehn unaufgeklärte Morde pro Jahr leisten. Die Hälfte davon lassen wir fürs Umland und für unvorhergesehene Fälle. Ihre Reserve liegt also bei fünf. Aber als Maximum, es ist sowieso schon mehr als riskant. Den Mord an Gruschin eingerechnet, bleiben noch vier. Also gut, einigen wir uns auf drei.« Denissow nickte. »Jetzt ist Juli. Das heißt, bis zum Jahresende stehen mir noch zwei zur Verfügung. Einen hatte ich, falls Sie sich erinnern, bereits im Februar verbraucht.«
    »Habe ich nicht vergessen.«
    Am darauffolgenden Tag stattete Eduard Petrowitsch Denissow höchstpersönlich dem Oberarzt des Sanatoriums ›Doline‹ einen Besuch ab.
    * * *
    Nastja Kamenskaja riß sich von der Schreibmaschine los, legte sich eine Jacke über die Schultern und ging auf den Balkon, um eine zu rauchen. Der Balkon gehörte zu zwei Zimmern: dem Zweibettzimmer von Nastja und einem Einzelzimmer nebenan. Beinahe gleichzeitig ging die Balkontür des Einzelzimmers auf, und heraus trat, gestützt auf einen Stock, eine etwas dickliche ältere Frau.
    »Guten Tag.« Sie lächelte freundlich. »Wir sind wohl Zimmernachbarn. Ich heiße Regina Arkadjewna.«
    »Sehr angenehm. Anastasija.« Nastja stellte sich vor und schüttelte die ihr entgegengestreckte Hand.
    Die Alte schien zu frösteln.
    »Ich höre Sie die ganze Zeit tippen. Arbeit?«
    »Mhm«, brummte Nastja.
    »Wenn Sie mal Pause machen, kommen Sie doch herüber auf eine Tasse Tee. Ich habe hervorragenden englischen Tee. Möchten Sie?«
    »Gern einmal, vielen Dank.«
    Nastja kehrte zurück zu dem Krimi von Ed McBain, mit dem festen Vorsatz, nicht zu dieser Regina Arkadjewna zum Tee zu gehen. Das Buch, das sie übersetzte, war nicht dick, nur 170 Seiten. Wenn sie sich das Ziel steckte, die Arbeit während der Kur abzuschließen, so wäre die Norm neun Seiten pro Tag. Nastja übersetzte schnell, neun Seiten schaffte sie ohne weiteres am Nachmittag, nach allen Kurbehandlungen. Sie hätte die Norm sogar herabsetzen können, da ihr nach der Rückkehr aus dem Sanatorium noch dreizehn Tage Urlaub in Moskau blieben. Daß sie ihre Nachbarin nicht besuchen wollte, hatte nichts damit zu tun, daß sie keine Zeit opfern wollte. Ehrlich gesagt, fürchtete Nastja, die ältere Frau könne zu anhänglich und damit zu einer Last werden. Bin ich gemein, dachte sie, während sie ein neues Blatt Papier in die Maschine spannte, nicht einmal Mitleid mit alten Menschen habe ich. Nein, wirklich, ich habe irgendeinen Knacks.
    Ganz in die Arbeit vertieft, verpaßte Nastja das Abendessen – zu spannend war McBains Schilderung des plötzlich eintretenden Konflikts zwischen dem Detektiv Steve Carrella und
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