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Analog 03

Analog 03

Titel: Analog 03
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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lohnte sich nicht, über die Alternative nachzudenken. Vielleicht hatte Shagata doch recht. Trete mit der Waffe in der Hand hinaus, einen Fluch auf den Lippen. Schweiß tropfte mir in die Augen, und ich wischte ihn mit dem Handrücken weg. Das Atmen tat bereits weh, und jenseits der Gebäude zeigte sich ein Nebel graugefärbter Luft.
    „Schau, dort!“ Noriko faßte mich am Arm und zeigte auf die flimmernde Mauer. Ich schaute hin, stand auf und wischte ein Gefühl der Benommenheit weg, das mich ganz zu verschlucken drohte.
    Cirlos war zurückgekehrt.
    Er ging jetzt gebeugt und entblößte die Zähne vor Schmerz in einem unwillkürlichen Fletschen. Er war an den Grenzen seiner eigenen gargantualischen Fähigkeiten angelangt.
    Ich ging zu ihm hin, ließ ihn sich niedersetzen, den Kopf aus dem Nebel heraus, und er atmete die etwas weniger verschmutzte Luft des Grabens.
    „Was ist im Dorf passiert?“
    Er preßte eine kleine, zugestöpselte Flasche an sich. Um zu sprechen, stellte er sie nieder.
    „Fort. Diejenigen, die nicht tot sind … sind in die Berge geflüchtet.“ Seine Finger bewegten sich langsam, lustlos. Da ich seine Schmerzen mitempfinden konnte, streckte ich die Hand aus und legte sie ihm auf die unverletzte Schulter. Ich sagte nichts. Was gab es schon zu sagen?
    Etwas später fragte ich: „Wie viele Syms sind da – außerhalb der Blase?“
    „Viele, aber einer genügt. Es tut mir leid, Pan.“
    „Weißt du, wovon wir heute morgen sprachen? Vom Sternentor und dem Schema darauf?“
    „Ich erinnere mich.“
    „Hast du die Kraft, es zu tun?“
    „Ich habe sie.“
    Ich wandte mich ab, griff nach der Flasche. Ich gab zuerst dreien von Shagatas Panthern das Medikament ein und verdoppelte die normale Dosis. Als ich fertig war, betrachtete sie Cirlos genau und achtete auf ihren Quantenspiegel.
    „Sie sehen verändert aus“, signalisierte er endlich. „Alle Gipfel scheinen eingeebnet zu sein. Sie sehen alle flach, ungeformt aus.“
    „Hoffen wir, daß sie den Syms auch so erscheinen“, sagte ich. Ich warf Shagata einen Blick zu. „Besser kriegen wir es wahrscheinlich nicht hin. Sind Sie bereit, es zu versuchen?“
    Er schüttelte den Kopf und holte die Hand aus der Tasche.
    Diesmal hatte er die Pistole.
    Seine Augen brannten auf mich los. „Vorsichtig, Kirst. Führen Sie mich nicht in Versuchung. Stellen Sie die Flasche nieder, dann treten Sie zurück.“
    „Was tun Sie, Oberst? Ist das Ihre Art, sich zu revanchieren?“
    „Sozusagen.“ Er warf mir ein kaltes Lächeln zu, das seine Augen nie erreichte, dann machte er eine Bewegung mit der Pistole. Ich stellte die Flasche nieder und trat einige Schritte zurück.
    „Fein“, sagte Shagata, als Noriko die Flasche ergriff. „Jetzt behandeln Sie Dr. Kirst.“
    Ich hielt stoisch still, während sie die Dosis eingab. Als sie fertig war, blickte ich zunächst sie und dann Cirlos an. Ich wollte mich an dieses apfelgrüne Gesicht erinnern, wollte zumindest diesen Eindruck mit mir heim nehmen.
    Es kam mir vor, als hörte ich Shagata „Banzai“ sagen.
    Dann schwanden mir die Sinne, und das Universum löste sich auf.
    Ich erwachte und wünschte mir auf der Stelle, ich wäre nicht erwacht. Der Wind heulte und versuchte mich in zwei Teile zu brechen. Mein Kopf fühlte sich wie eine Riesentrommel an. Und ich fror.
    Ich befand mich nicht mehr auf Verde.
    Ich blickte mich um und sah sechs Panther. Rund zehn Meter links von mir lag eine Stoffpuppe, die, wie ich wußte, Noriko sein mußte.
    Ich blickte mich nach Shagata um, aber er war nicht zu sehen. Er würde auch nie mehr zu sehen sein.
    Auch das Sternentor war verschlossen. Zumindest dasjenige, das nach Verde führte. Geraume Zeit würde es niemand benützen können.
    Eines Tages jedoch …
    „Er befahl uns, uns hinwegzuscheren“, erklärte Noriko später und widmete sich in der Hütte unter dem Tor einer dampfenden Schale Tee. Sie starrte an mir vorbei in den Raum hinein. „Als ich ihn zum letzten Mal sah, legte er den Kampfanzug an.“
    „Die Abschiedsgeste“, sagte ich und nippte am Brandy. „Er ging schließlich hinaus, um sich den Syms zu stellen.“
    Sie brachte ein schwaches Lächeln zuwege.
    „Er war ein Samurai“, sagte sie. „Ein Mann von Ehre.“
    Ich dachte an Cirlos und Shagata und Ehrenhaftigkeit. Ich bemühte mich angestrengt, die Sache zynisch zu sehen, aber irgendwie gelang es mir nicht. War Bushido bloß ein menschlicher Zug? Wie es aussah, war alles eine Sache der
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