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An den Springquellen

An den Springquellen

Titel: An den Springquellen
Autoren: Hans Kneifel
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erblickte.
    Dunkelheit!
    Der fremde Eindruck verschwand, als habe jener Mann die Augen geschlossen. Die Landschaft der Düsterzone tauchte wieder rings um Necron auf. Wieviel Zeit vergangen war, wußte der Alleshändler nicht. Aber als die Geräusche über ihm zusammenschlugen, ahnte er, daß für ihn die letzte Stunde angebrochen war.
    Die Pferde unter ihm rasten vor Furcht, aber sie rannten durch die Rinnen des Sturzackers weiter. Der Schrein machte sich halbwegs selbständig und schleuderte weit hin und her. Dicht hinter ihm ragte der Schädel des Yarls auf. Lange Seile schaukelten vom Rand des Panzers herunter. Die hornigen Platten des Halses und der wuchtigen Beine waren wie braune Felsen, die auf den Schrein herunterkippten wie eine Lawine. Der einzige Gedanke, den Necron noch zu fassen vermochte, war die Absicht, sein Leben zu retten. Der Schrein schleuderte zur Seite, stellte sich fast quer. Ein harter Ruck ging durch Deichsel und Zugseile. Necron ließ die Zügel fahren, als sich der Schädel des Yarls schräg über ihm und dem Schrein befand. Ein gigantischer Fuß hob sich in einer schweren Bewegung. Eines der Knotenseile ratterte über das Dach des Wagens hinweg, als sich die riesige Pranke senkte und zwei Graupferde förmlich zermalmte.
    Necron sprang schräg vom Dach des Schreines ins Leere. Seine Hände packten das Seil, seine Knie schlangen sich um einen Knoten. Während die Todesschreie der Graupferde, das Krachen, mit dem sich der Schrein und alle mühsam erhandelten Waren in Trümmer und Spreißel auflösten, das blasebalgartige Ausstoßen des stinkenden Yarl-Atems und das Dröhnen der niedergerammten Pranken sich zu einem einzigen Getöse vereinigten, riß das pendelnde Seil den Alleshändler zur Seite. Er kletterte so schnell, wie es ihm während der Bewegung des Giganten möglich war, von Knoten zu Knoten aufwärts und fühlte schließlich, wie ihn eine Faust im Genick packte und hochriß.
    Sofort war er von Schlackenhelm-Kriegern umringt. Der Boden schwankte unter seinen Füßen, dann begriff er endlich: es war nicht mehr der Boden, sondern der von kleinen Gebäuden, Wehrgängen, Feuerstellen und bizarren Formationen vollgepferchte Rückenpanzer des Yarls.
    Necron blickte nach rechts.
    In der breiten Spur der Verwüstung entdeckte er die zerrissenen Körper der beiden Graupferde und die zertrümmerten Teile des Wagens. Ein einzelnes Rad lief langsam noch eine Mannslängen weit hinter dem Yarl her. Dann kippte es um und blieb liegen. Von der Nabe bis zum Mittelpunkt der Trümmerstücke lag in seltsamen Windungen ein breites, schwarzes Band. Es war der schwarze Samt. Necron senkte den Kopf und klammerte sich an den Mauern aus Goldenem Staub fest.
    »Warum habt ihr mich verfolgt?« murmelte er niedergeschlagen. Sein gesamter Besitz bestand aus der Stundenwurzel, einigen Kleinigkeiten in den Taschen des zerschlissenen Samtanzugs und dem Gürtel mit den zwölf Wurfmessern.
    »Wer bist du?« fragte ein Krieger, dessen Stimme aus einem Loch seines bizarren, zackigen Schlackenhelms hervorschallte. Dolche und Schwerter, deren Schneiden aus dem Staub gewachsen waren, deuteten mit ihren nadelfeinen Spitzen auf ihn.
    »Ich bin Necron, der Alleshändler. Ein harmloser Mann, dessen gesamte Habe euer verdammter Yarl in einem Augenblick vernichtet hat«, sagte er unerschrocken.
    »Necron?« schrie jemand rechts von ihm. Ein Heymal bahnte sich mit sandfarbigem, wehendem Burnus einen Weg durch die Odamnomaden.
    Unter der Kapuze spannte sich ein leuchtendrotes Stirnband. »Ist es wahr, daß du einen Mann namens Luxon verschachert hast?«
    »Ohne sonderlichen Gewinn«, sagte Necron. »Was wollt ihr von mir?«
    »Du bist unser Gefangener. Wir sind die Krieger Prinz Odams«, rief ein Schlackenhelm-Krieger.
    »Ich nenne mich Hrobon«, sagte der Heymal, der mit blitzenden dunklen Augen unter schwarzen Brauen dicht vor Necron stehengeblieben war. »Luxon oder, wie er sich auch nennen mag, Arruf, ist mein Freund. Wo hast du ihn gelassen?«
    Plötzlich erinnerte sich der Alleshändler wieder an alles, was Luxon ihm erzählt hatte. Auch der Name Hrobon war ihm geläufig; und dieser Mann entsprach der Schilderung, die Luxon gegeben hatte. Ein Vogelreiter von etwa dreißig Sommern, mit einem Langbogen und einem Köcher voller rotgefiederter Pfeile auf dem Rücken.
    »Ich habe Luxon an die Varunen weitergegeben«, antwortete er. »Das ist die Wahrheit.«
    Er ahnte, daß die Wahrheit seine einzige Rettung darstellte. Unter den
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