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Amy on the summer road

Amy on the summer road

Titel: Amy on the summer road
Autoren: Matson Morgan
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am falschen Platz gelandet, und wieder hatten sich ein paar mit diesen vier Wänden verbundene Erinnerungen verflüchtigt.
    Ich ging die Treppe hoch in mein Zimmer, das inzwischen nichts mehr mit jenem Reich zu tun hatte, in dem ich mein ganzes bisheriges Leben verbracht hatte. Stattdessen war es der reinste Girlie-Traum geworden – mit sorgfältig arrangierten Bücherstapeln, alphabetisch sortierten CDs und hübsch ordentlich gefalteten Klamotten. Es hatte sich in »Amy!s« Zimmer verwandelt – picobello aufgeräumt, total
unpersönlich und wahrscheinlich die perfekte Ergänzung zu dem adretten Fantasiemädchen, das darin wohnte. Amy! versorgte bestimmt etliche Sportmannschaften ständig mit selbst gebackenem Kuchen und war vermutlich eine begeisterte Cheerleaderin, die nie darüber nachdachte, wie sinnlos Sport eigentlich war, oder jemals das Bedürfnis nach bittersüßen Liebesschnulzen hatte. Amy! passte bestimmt supergern auf die hinreißenden Racker in der Nachbarschaft auf, lächelte auf allen Klassenfotos gleichmäßig bezaubernd und war überhaupt die Wunschtochter sämtlicher Eltern. Sie hätte auch hundertprozentig mit dem süßen Typen in der Einfahrt ganz entspannt gescherzt und geflirtet, anstatt schon beim kleinsten Gespräch derart grandios zu versagen und dann abzuhauen. Und außerdem hatte Amy! höchstwahrscheinlich in letzter Zeit niemanden umgebracht.
    Mein Blick fiel auf meinen Nachttisch, wo außer meinem Wecker nur ein schmales Taschenbuch mit dem Titel Food, Gas, and Lodging lag. Es war das Lieblingsbuch meines Vaters  – dieses zerlesene Exemplar hatte er mir zu Weihnachten geschenkt. Nach dem Auspacken war ich erst einmal enttäuscht gewesen, weil ich eigentlich auf ein neues Handy gehofft hatte. Natürlich hatte er mitgekriegt, dass sich meine Freude über sein Geschenk stark in Grenzen hielt. Nun grübelte ich um drei Uhr morgens darüber nach, wie sehr ich ihn damit gekränkt hatte, und an Schlaf war dann nicht mehr zu denken.
     
    Ich war nie über die Titelseite hinausgekommen. Als Widmung hatte er mir hineingeschrieben: Für meine Amy – dieses Buch hat mich auf vielen Reisen begleitet. Hoffentlich magst du
es genauso wie ich. In Liebe, Benjamin Curry (dein Vater). Und dann lag es auf meinem Nachttisch herum, ohne dass ich es je wieder aufgeschlagen hätte. Bis vor ein paar Wochen – da hatte ich es endlich angefangen zu lesen. Und jetzt fragte ich mich bei jedem Umblättern, weshalb ich es mir nicht schon vor Monaten vorgenommen hatte. Ich kam allerdings nur bis Seite 61, denn bei Seite 62 steckte ein Karteikärtchen, auf dem mein Vater sich Notizen zum Sekretär von Abraham Lincoln gemacht hatte, über den er für ein Buch recherchiert hatte. Aber die Karte steckte nur als Lesezeichen in dem Roman. Beim letzten Mal war er also nur bis Seite 62 gekommen. Irgendwie brachte ich es nicht fertig, umzublättern und weiterzulesen.
    Ich wusste immer noch nicht, was Walter da noch sah, und hatte keine Ahnung, ob ich es je erfahren würde. Aber ich wollte das Buch keinesfalls hierlassen. Ich nahm es also an mich und schob es vorsichtig in meine Handtasche. Nach einem letzten Blick durch das Zimmer schaltete ich das Licht aus, zog meinen Rollkoffer in den Flur und machte die Tür hinter mir zu. Es war ein ziemlich gutes Gefühl, dieses Zimmer nicht mehr sehen zu müssen. In den letzten vier Wochen hatte ich mich kaum darin aufgehalten, sondern meistens unten auf dem Sofa geschlafen und mir nur ab und zu Sachen von oben geholt. Ansonsten erinnerte mich alles viel zu sehr an mein Leben davor . Ich hatte ja immer noch nicht so ganz kapiert, wie plötzlich alles in meinem Leben anders sein konnte und wie sich alles in ein Danach verwandelte, während die Bilder an meinen Wänden und das ganze überflüssige Zeug ganz hinten in meinem Schrank gleich blieben. Außerdem würde ich sowieso niemals so werden wie die von
Hildy erfundene Amy!, der mein Zimmer nach der Umräumaktion nun gehörte.
    Ich wollte gerade meinen Koffer die Treppe hinunterbefördern, blieb aber noch einmal stehen und schaute zum anderen Ende des Flures, wo das Schlafzimmer meiner Eltern lag. Ich hatte es nicht mehr betreten, seit ich am Morgen vor der Beerdigung in der Tür gestanden war, damit meine Mutter mir sagen konnte, ob das schwarze Kleid okay war.

    Ich ging den Flur entlang, an Charlies Zimmer vorbei, das direkt neben meinem lag. Die Tür zu Charlies Zimmer war geschlossen geblieben, seit meine Mutter sie vor
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