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Amore siciliano

Amore siciliano

Titel: Amore siciliano
Autoren: Luzie Bronder
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erwischt.
    Zugegeben, ein denkbar schlechter Zeitpunkt. Andererseits hatte ich von den beiden ohnehin nichts anderes erwartet. Sie schwammen im Geld, aber während sie meinem Bruder Florian und dem Nesthäkchen Luna ihre Wünsche von den Augen ablasen, ließen sie mich, das schwarze Schaf der Familie, versauern. Als Kind hatte ich mir manchmal vorgestellt, wie es wäre, wenn meine Eltern mir eines Tages eröffnen würden, dass ich gar nicht ihr leibliches Kind sei, sondern adoptiert. So weit hergeholt schien mir das gar nicht, denn keiner außer mir hatte dieses rote Haar, diese grünen Augen und diese unzähligen Sommersprossen. Außerdem war ich viel kleiner als der Rest meiner Familie: Mein Vater war gute eins neunzig, hatte dunkles, volles Haar und eine recht markante Nase, die mein fast ebenso großer Bruder Flo als untrüglichen Beweis der Familienzugehörigkeit geerbt hatte. Meine Mutter hatte blondes, glattes Haar und blaue Augen, und beides hatte die Natur eins zu eins an Luna weitergegeben, ebenso wie ihre schlanke Figur. Meine Erbanlagen passten nicht einmal zum Postboten. Einzig ein herzförmiges Muttermal am linken Schlüsselbein konnte eine genetische Verbindung zwischen mir und Viola Freifrau von Herzogenaurich nachweisen. Außer meinerinneren Einstellung und der mangelnden äußeren Ähnlichkeit gab es allerdings wenig Beweise für meine Adoptionstheorie, so dass ich es als mein Schicksal betrachtete, unter Kapitalisten aufgewachsen zu sein und erst in den Zwanzigern die wahren Werte im Leben erkannt zu haben. Jetzt war ich zwar materiell gesehen arm, dafür reich an Moral.
    Und ich würde trotzdem mit Malte und dem Filmteam nach Italien reisen, das wäre ja gelacht. Notfalls würde ich mir eben dort einen Nebenjob suchen, und wenn es gar nicht anders ginge, würde Malte mich sicher unterstützen. Immerhin war es ja auch in seinem Interesse, dass ich mitkam.
    »Ääähem«, räusperte sich mein Vater. »Wir müssen jetzt los«, sagte er. »Du kannst natürlich noch bleiben, wenn du willst, Johanna macht dir sicher einen Kaffee oder was auch immer.«
    »Nein danke, ich muss auch wieder los«, lehnte ich ab. »Ich hab ja jetzt einiges zu organisieren.«
    Johanna war die Hausdame meiner Eltern. Früher war sie unser Kindermädchen gewesen, aber nachdem meine kleine Schwester Luna mit vierzehn aus dem Alter heraus war, wo sie eine Nanny brauchte, hatten meine Eltern Johanna kurzerhand zu ihrer persönlichen Sklavin gemacht. Immerhin – dank Johanna gab es im Hause Herzogenaurich seit neuestem sogar eine Biomülltonne sowie Recyclingküchenpapier.
    Mein Vater hielt mir die Tür auf. Ich lief die zehn Treppenstufen hinab in den Vorhof der barocken Villa, in der ich bis zu meinem Auszug mein unverantwortlichesÖko-Sünder-Leben geführt hatte, und stieg auf mein Fahrrad, das mich zurück in mein verantwortungsvolles, ökologisch bewusstes Einzimmerküchebad-Appartement brachte.
    Dort angekommen, begann ich, meine obligatorische To-do-Liste zu verfassen.
    Listen waren mein heimlicher Fetisch. Sie halfen mir, einen klaren Kopf zu bewahren, egal ob es um die Organisation eines Sets ging, um den wöchentlichen Großeinkauf oder die Planung meiner gesamten Zukunft: Für alles gab es eine Excel-Datei auf meinem Laptop.
    Die Liste für Italien war verhältnismäßig kurz:
     
     
Rausfinden, was man braucht, um ein Urlaubssemester zu beantragen. – Es war nicht unwahrscheinlich, dass ich das machen müsste, denn die Dreharbeiten oder die Postproduction konnten sich durchaus verzögern und bis weit ins Semester hineinreichen. Im Filmgeschäft wurden Zeitpläne fast nie eingehalten. Und aufgrund der vielen Außenaufnahmen war der Verlauf der Dreharbeiten extrem vom Wetter abhängig. Daher wollte ich für alle Fälle gewappnet sein.
Kneipenjob kündigen oder zumindest auf Eis
legen.
Einen neuen Bikini zulegen – denn, hallo!, der
Dreh begann zwar schon Mitte März, aber immerhin ging es nach Italien.
Meine theoretischen Kenntnisse aus dem Studium auffrischen und mich inhaltlich so vorbereiten,dass ich für alle praktischen Tücken gewappnet war. – Ich wollte Dieter davon überzeugen, dass er mich Aufgaben selbständig erledigen lassen konnte, und ihn dazu bringen, mich so viel wie möglich an der Produktion mitarbeiten zu lassen.
Jemanden für meine Wohnung organisieren, der sich um Post und Pflanzen kümmern würde, gegebenenfalls sogar über einen Untermieter nachdenken, um Geld für die Miete zu
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