Amber-Zyklus 08 - Zeichen des Chaos: der Titel

Schwingtür an der Vorderseite des Etablissements. Die Männer traten ein und befestigten Seile an dem Kadaver des Bandersnatschs. Die Pferde zogen das Geschöpf weg. Humpty hatte sich für die Zeit, da sich das alles abspielte, hinunterbegeben, um die Toilette aufzusuchen. Bei seiner Rückkehr entdeckte er, daß er nicht in der Lage war, seinen früheren Platz auf dem Barhocker wieder einzunehmen. Er rief die Männer des Königs an, ihm Hilfestellung zu leisten, doch sie waren damit beschäftigt, den außer Gefecht gesetzten Bandersnatsch zwischen den Tischen hindurch zu steuern, und sie schenkten ihm keine Beachtung.
    Luke schlenderte lächelnd heran.
    »Das war also ein Bandersnatsch«, bemerkte er. »Ich habe mich immer gefragt, wie sie wohl aussehen mögen. Wenn wir jetzt nur noch das Vergnügen hätten, daß ein Jabberwock vorbeikäme...«
    »Pscht!« mahnte die Katze. »Bestimmt versteckt sich einer irgendwo in dem Wandgemälde, und wahrscheinlich hört er zu. Reiz ihn nicht! Sonst kommt er womöglich schnaubend durchs Gehölz und geht auf dich los. Denk dran: Das Maul beißt, die Krallen packen dich. Schaff dir keine unnötigen Probleme...«
    Die Katze warf einen kurzen Blick zur Wand und glitt mehrmals in schneller Folge ins Dasein und ins Nichtvorhandensein. Ohne davon Notiz zu nehmen, bemerkte Luke: »Ich dachte gerade an die Tenniel-Illustration.«
    Die Katze nahm am anderen Ende der Bar Gestalt an, kippte den Drink des Hutmachers hinunter und sagte: »Ich höre das Plätschern, und Flammenaugen wenden sich nach links.«
    Ich betrachtete das Wandgemälde, und auch ich sah die feurigen Augen und hörte ein seltsames Geräusch.
    »Das könnte alles mögliche sein«, bemerkte Luke.
    Die Katze huschte zu einem Gestell hinter der Bar und griff weit hinauf, wo eine seltsame Waffe an der Wand hing, im trüben Licht wechselhaft schimmernd. Sie holte das Ding herunter und schob es über die Theke; es blieb vor Luke liegen.
    »Es kann nicht schaden, wenn du das Vorpal-Schwert in der Hand hast, das ist alles, was ich sagen kann.«
    Luke lachte, doch ich starrte fasziniert den Gegenstand an, der aussah, als ob er aus Mottenflügeln und gefaltetem Mondlicht hergestellt wäre.
    Dann hörte ich wieder das Plätschern.
    »Steh nicht hemm und häng müßigen Gedanken nach!« ermahnte mich die Katze, leerte Humptys Glas und verschwand wieder.
    Immer noch schmunzelnd hielt Luke seinen Krug zum Nachfüllen hin. Ich stand da und hing müßigen Gedanken nach. Der Zauberbann, den ich benutzt hatte, um den Bandersnatsch außer Gefecht zu setzen, hatte mein Denken auf eine sonderbare Weise verändert. Es erschien mir für einen flüchtigen Augenblick so, als ob sich die Dinge durch sein Nachwirken in meinem Kopf allmählich klärten. Ich schrieb das dem Bild des Logrus zu, das ich kurz betrachtet hatte. Deshalb rief ich es erneut herbei.
    Das Zeichen erhob sich vor mir, verharrte in der Schwebe. Ich betrachtete es. Dabei hatte ich das Gefühl, als ob ein kalter Wind durch meinen Geist wehte. Schwebende Erinnerungssplitter wurden zusammengezogen, verbanden sich zu einem vollständigen Gewebe, wurden von Verständnis durchdrungen. Natürlich ...
    Das Plätschern wurde lauter, und ich sah den Schatten des Jabberwock zwischen den fernen Bäumen hindurchgleiten, mit Augen wie Landungsleuchten und vielen scharfen Kanten zum Beißen und Fangen...
    Und es machte mir überhaupt nichts aus. Denn jetzt begriff ich, was sich abspielte, wer dafür verantwortlich war, wie und warum.
    Ich beugte mich weit nach vom, bis meine Fingerknöchel soeben die Spitze meines rechten Stiefels berührten.
    »Luke«, sagte ich, »wir haben ein Problem.«
    Er wandte sich von der Theke ab und blickte zu mir herab.
    »Was ist los?« fragte er.
    Alle jene, die das Blut von Amber in den Adern haben, sind zu den erstaunlichsten Ausfällen fähig. Außerdem sind wir in der Lage, ziemlich heftige Schläge hinzunehmen. Das heißt, daß sich diese beiden Extreme bei uns bis zu einem gewissen Grad aufheben. Deshalb muß man derartige Dinge exakt in der richtigen Weise angehen, wenn man überhaupt irgend etwas bewirken möchte...
    Ich stieß die Faust mit aller Kraft, die ich nur aufzubringen vermochte, vom Boden nach oben, und ich traf Luke seitlich am Kiefer, und zwar mit einem Schlag, der ihn in einer Drehung vom Boden abhob und auf einen Tisch warf, der unter ihm zusammenbrach, so daß er durch den ganzen Gastraum rutschte, bis er schließlich zusammengekrümmt zu