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Amber Rain

Amber Rain

Titel: Amber Rain
Autoren: Felicity La Forgia
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Aben d stunden belebter Straßen ist in dieser Stadt voller Verrückter nicht ungefährlich. Ich bin kein Mann, der Gefahren scheut. Im Gegenteil, ich bin ein Mann, der Gefahr ausstrahlt. Aber ich bin eben auch jemand, der gern ein Mindestmaß an Ko n trolle darüber exerziert, wie vielen und vor allem welchen U n wägbarkeiten er sich aussetzt. Und in der Dämmerung so sichtbar wie möglich zu sein, ist ein Teil dieser Kontrolle.
    Das Telefon klingelt.
    Frustriert bleibe ich an der Gartentür stehen. Ich könnte es ausklingeln lassen. Nach siebenmal geht der Anrufbeantworter ran. Für die Met stehe ich heute nicht auf Abruf, das macht eine Kollegin, die supereffektive Miss Snyder. Gott behüte j e ne, die an diesem Abend über die Stränge schlagen und eval u iert werden sollen.
    Vielleicht ist es ein Notfall. Seufzend nehme ich den Hörer auf und drücke auf Rufannahme. „Hallo?“
    „Sir?“ Die Stimme eines jungen Mädchens. Aber da ist noch mehr dahinter. Es irritiert mich, dass ich es nicht gleich he r aushöre. Meine Fähigkeit, selbst am Telefon noch feinste N u ancen menschlicher Emotionen zu erspüren, ist legendär. Auch, aber nicht nur, in der medizinischen Welt.
    „Was kann ich für dich tun?“ Sie ist höchstens vierzehn, schätze ich, und ich lasse die Höflichkeitsform gleich stecken.
    „Ich bin einsam, Sir.“ Ein hohes, zitterndes Vibrieren. Der Psychiater in mir schlägt an wie ein Wachhund, und ich weiß jetzt, was dahintersteckt. Was nicht passt. Sie verstellt ihre Stimme. Sie ist kein kleines Mädchen. Und sie will spielen. R a tionale Gedankengänge setzen ein, ohne dass ich mich dazu zwingen muss. Es ist mehr wie ein Instinkt. Was für eine Frau tut das? Ich kann den Psychiater in mir nicht zurückdrängen, der mehr über die Unbekannte erfahren will. Ist das ein Hobby von ihr? Fremde Menschen anzurufen und vorzugeben, j e mand anderes zu sein? Eine interessante Möglichkeit. Ich ziehe die Schuhe wieder aus und reiße mit den Zähnen die Refle k torenbänder von meinen Armen. Natürlich hört sie das Ra t schen.
    „Sir, was tun Sie?“
    „Wie heißt du?“, frage ich, um Zeit zu gewinnen.
    Kurze Pause. Verräterisch. Ich muss grinsen. Als sie endlich „Josephine“ sagt, weiß ich, dass sie lügt. Ein anderer hätte ihr wahrscheinlich geglaubt. „Aber meine Freunde nennen mich Josie“, fügt sie schnell hinzu. Sie ist gut. Wirklich gut. Ich bin beeindruckt.
    „Wie alt bist du, Josie?“, frage ich.
    Wieder zögert sie. Damit hat sie offenbar nicht gerechnet. Jetzt bin ich mir sicher. Sie macht sowas tatsächlich öfter, und die Kerle, denen sie sich am Telefon anbietet, nehmen wah r scheinlich, was sie kriegen können, und wollen gar nicht wi s sen, wie viele Gesetze sie brechen, indem sie sich zur Stimme einer Minderjährigen einen runterholen.
    „Ich tue es nicht mit Mädchen unter vierzehn“, füge ich kühl und sachlich hinzu. Ich will wissen, wie weit sie gehen wird. Ich drücke auf ein paar Knöpfe auf meinem Telefon, die mir normalerweise zeigen würden, von welcher Nummer der Anruf getätigt wurde. Womöglich ist Miss Josie ein interessanter Fall für mich. Eine Frau, die mich beruflich herausfordert. In den letzten Wochen und Monaten ist die Arbeit für die Met ein bisschen schal geworden. Doch die Rufnummer ist unte r drückt. Miss Josie ist nicht dumm.
    „Ich bin fünfzehn“, sagt sie eilig.
    Ich lasse ein Lächeln in meine Stimme sickern und lehne mich an die Wand in meinem Rücken. Ich versuche, nicht d a ran zu denken, dass da angeblich eine Fünfzehnjährige am a n deren Ende ist, die mit mir Telefonsex haben will. „Worauf hast du Lust, Josie?“, frage ich mit einem verführerischen U n terton.
    „Ich bin einsam, Sir“, wiederholt sie.
    „Das sagtest du bereits, Josie.“ Ich lege Wert darauf, sie so oft wie möglich bei ihrem falschen Namen zu nennen. Da ist die Hoffnung, dass sie des falschen Namens überdrüssig wird und beginnt, etwas über sich preiszugeben, das ich verwenden kann. Es ist etwas schwierig, den Psychiater zurückzuhalten, der analysieren und vermuten möchte, warum sie das tut, was sie tut.
    „Woher hast du eigentlich meine Nummer, Josie?“, frage ich.
    „Aus dem Telefonbuch.“
    „So?“ Sie hat den Anschluss von Crispin Holloway gewählt. Nicht den von Dr. Richard Holloway, psychiatrischer Gutac h ter und Neurologe. „Und warum rufst du ausgerechnet mich an, Josie?“
    „Ich mag Ihren Namen, Sir.“
    Ich halte nichts davon,
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