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Amber Rain

Amber Rain

Titel: Amber Rain
Autoren: Felicity La Forgia
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aber etwas verschließt ihr den Mund. Macht sie stumm. Dass sie schweigt, geschieht nicht aus Trotz oder aus dem Bedürfnis, etwas zu verbergen. Sie kann nicht. Und ich kann kaum fassen, dass Green das nicht begreift und sie nicht in Ruhe lässt.
    „Briefing“, verlange ich knapp. Ich will, dass sie aus dem Raum rauskommt, aber ich habe nicht die Befugnis, das zu ve r langen. Ich bin der Freelancer. Green trifft hier die Entsche i dungen. Ich kann lediglich Einschätzungen geben, Verha l tensmuster evaluieren und Gutachten erstellen. Was Green mit meiner Meinung macht, liegt einzig bei ihm. Für die junge Frau, die mit den Nerven am Ende ist, kann es dann zu spät sein. Schäden, die nicht zu reparieren sind. Eine angeknackste Seele, nur weil sie missverstanden wurde.
    „Sie war mit einer Gruppe Theaterleuten am Piccadilly Ci r cus, und plötzlich ist sie durchgedreht und vor einen Bus g e laufen.“
    Ich drehe mich zu Redding herum und starre sie an, darum bemüht, meine Fassungslosigkeit zu zügeln. „Warum?“
    „Das weiß keiner. Sie hat seither kein Wort gesagt. So, wie Sie sie da sitzen sehen, so war sie, seit sie hergebracht wurde. Und die Theaterleute, die wir verhört haben, konnten es sich auch nicht erklären. Einfach aus dem Nichts heraus ist sie wie eine Besessene losgerannt und direkt in den Bus hinein.“
    „Hat sie sich verletzt?“
    „Eine Schramme am linken Oberarm und ein aufgeschürftes Knie. Der Bus stand noch, wollte gerade erst anfahren. Sie ha t te Glück.“
    „Sie haben am Telefon von einer Massenpanik gesprochen.“
    „Da war eine Gruppe japanischer Kinder in der Nähe, die a l les mitangesehen haben und geschrien haben wie verrückt, weil sie glaubten, die Frau wolle sich umbringen. Das hat ang e steckt. Die Leute sind kopflos umher gerannt, wie aufg e scheucht. Sie können sich doch denken, wie das ist, keiner weiß mehr, was der Auslöser für die ersten Schreie war, und dann kursieren in Sekundenbruchteilen die verrücktesten Gerüchte, und alles schaukelt sich hoch.“
    Und mittendrin eine junge Frau von höchstens Mitte Zwa n zig, die irgendwas in einen solchen Schrecken versetzt hat, dass sie ihre Stimme verlor. Ich muss mit Green reden. Die Frau weiß ganz genau, dass hier auf dieser Seite des Glases Leute stehen, die sie begaffen wie ein Tier im Zoo, und das soll sie dazu ermuntern, ihren Mut wiederzufinden?
    „Wie heißt sie?“
    Einer der Officers blickt auf ein Datenblatt in seiner Hand. Ich bin wieder einmal schockiert. Unsere Gesetzeshüter kö n nen sich nicht einmal den Namen von jemandem merken, der schon wer weiß wie lange in einer Verhörzelle hockt? „Amber Nicholas“, liest er ab.
    Amber Nicholas.
    Ich trete an das Mikrofon und drücke auf den Entsperrung s knopf. „Officer Green? Kann ich mit Ihnen reden? Hier dra u ßen?“
    Green nickt der Frau zu, nicht unfreundlich, aber offenbar am Ende seiner Kunst angelangt. Ihre Schultern sacken heru n ter. Sobald er den Raum durch die kleine Tür an der Seite ve r lassen hat, schlägt sie die Hände vor den Mund und sieht sich mit fliegenden Blicken um. Sie sucht einen Ausweg. Sie ist wie ein Eichhörnchen in dem Park, in dem mein Haus steht. In eine Falle geraten und panisch nach dem Ausweg suchend.
    Baby, ich könnte dir helfen, deine Panik zu besiegen, denke ich. Ich erlaube mir den Gedanken. Ihre Handgelenke sind schmal und fein, die Haut makellos. Das grobe Hanfseil würde in die Haut schneiden, wenn sie sich dagegen sträubt, und sie würde schnell lernen, dass Sträuben alles nur schlimmer macht, und etwas an ihrer Haltung sagt mir, dass sie sich ergeben wü r de. Dass sie ganz still in den Seilen hängen und warten würde.
    Auf mich.
    Ich reiße den Blick von ihrem perfekten Körper weg und konzentriere mich auf Green, der sich zu uns gesellt.
     
     
    Amber
     
    Meine Gedanken kreisen so schnell in meinem Kopf, dass nichts an mir ruhig ist. Nicht meine Beine, die sich anfühlen, als bestünden sie aus Wackelpudding, nicht meine Arme, die ich um meinen Körper geschlungen habe, und nicht meine Finger, die nur zitternd den Schlüssel ins Schloss zu meiner Wohnungstür führen können.
    „Werden Sie in Ordnung sein?“, hat Officer Redding mich gefragt, als sie mich vor meiner Haustür abgesetzt hat. Ich habe nur genickt. Sprechen konnte ich nicht. Wie auch? Meine Stimme hätte das Kreischen meiner Gedanken ja doch nicht übertönt. Wann?
    Mein ganzes Sein kreist um diese Frage. Wann? Wann bin ich falsch
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