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Amber Rain

Amber Rain

Titel: Amber Rain
Autoren: Felicity La Forgia
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ähnliches, begangen unter Einfluss von Alkohol oder Drogen oder beidem. Eskalierende Situationen, die jemanden wie mich auf den Plan rufen. Ich tue es wegen der seltenen Augenblicke, wenn eine Situation sich so entwickelt, dass plötzlich ein wir k lich interessantes Problem vorliegt.
    „Eine junge Frau wurde angezeigt, weil sie heute am frühen Morgen am Piccadilly Circus eine Massenpanik ausgelöst hat.“
    „Wie bitte?“ Ich meine, mich verhört zu haben. Wie kann e i ne einzige Frau an einem Sonntag zu unchristlicher Zeit eine Massenpanik auslösen? „Hat sie die Finger an ein Maschine n gewehr bekommen?“
    Officer Redding schafft es sogar, durch das Telefon hindurch zu erröten. Ich genieße die Genugtuung, ihr wenigstens dieses Mal eine Reaktion abgezwungen zu haben. „Nein, Sir. Ich de n ke, es ist das Beste, Sie kommen her, sobald Sie können, Sir. West End Central. Es ist nicht ganz einfach, den Fall übers T e lefon zu schildern.“
    Darauf möchte ich wetten. Der schwarze Range Rover steht praktischerweise im Innenhof. Wassertropfen auf der Moto r haube reflektieren das Sonnenlicht. Jeremy hat den Wagen g e waschen. Die Vorzüge, hier draußen vor der Stadt zu leben. Es kratzt keinen Menschen, wenn ich dafür sorge, dass mein Hauspersonal den Sabbat nach Kräften missachtet. Der Zün d schlüssel liegt auf dem Beifahrersitz, und ich öffne das Haup t tor mit Hilfe der Fernbedienung, die im Handschuhfach liegt.
    Ich lasse das Fenster auf der Fahrerseite runter und drehe die Stereoanlage auf. Die Momente, in denen ich allein in meinem Lieblingsauto sitze, gehören ganz mir, und ich genieße sie. Nur in meinem Auto kann ich mich als der Enddreißiger fühlen, der ich bin, weil niemand darauf achtet, dass die Musik etwas zu laut ist und dass ich mit der Rechten den Takt auf meinem Oberschenkel mitklopfe, während mir der Fahrtwind die Haare durcheinanderbringt und ich versuche, nicht daran zu denken, weshalb ich auf den Weg bin zur West End Central Police St a tion. Dort darf ich dann wieder den gediegenen Doktor der Neurologie und Psychiatrie mimen. Es sollte mich vielleicht irritieren, dass ich den Weg zu den meisten der Polizeiämter der Met auswendig weiß, aber mein Job bringt das einfach mit sich. West End Central ist weitläufig, aber nicht so mit schlec h ter Publicity behaftet wie Paddington Green, wo ich nur ä u ßerst ungern hinfahre.
    Der übereifrige junge Mann an der Rezeption ist ein neues Gesicht. Er weiß schon Bescheid, ich werde erwartet, im Ve r hörzimmer der Abteilung D im zweiten Stock. Er weist mir den Weg zu den Aufzügen, aber ich ziehe es vor, die Treppe zu nehmen. Das kann er natürlich nicht wissen. Ich mache ihm klar, dass ich den Weg kenne, in deutlichen, wenngleich ruh i gen Worten. Der Junge hat intakte Antennen, er merkt, wann es Zeit ist, mich in Ruhe zu lassen.
    Officer Redding ist es, die auf mein Klopfen hin die Tür öf f net. In dem kleinen, dunklen und stickigen Raum stehen außer ihr drei Männer, die Arme vor der Brust verschränkt. Sie sta r ren auf die Glasscheibe, die fast die komplette Wand gege n über der Tür einnimmt. In dem noch etwas kleineren Raum auf der anderen Seite des Glases stehen ein Tisch und zwei Stühle. Auf dem einen Stuhl sitzt der Polizeipsychologe, Green, ein alternder Mann mit hoher Theoriekenntnis. Wenn Green zu einem Fall meine Hilfe anfordert, dann ist das kein Spaß.
    Unwillkürlich trete ich ganz dicht an das Glas heran. Ich merke es erst, als das Glas von meinem Atem beschlägt und einer der Officers auffällig hüstelt.
    Mein Blick ist auf die Frau gefallen, die Green gegenüber sitzt.
    Sie ist bleich. Der Rücken kerzengerade durchgedrückt. Fast hüftlang fällt ihr das blonde Haar in sanften Locken über den Rücken. Das graue T-Shirt, die verwaschenen Jeans und die alten Sportschuhe wirken an ihr wie der reinste Anachroni s mus. Und sie schweigt. Zu jeder Frage, die Green ihr stellt und die ich überhaupt nicht wahrnehme, weil der Anblick der Frau all meine Konzentration fordert, kommt nur Schweigen. Mir wird bewusst, dass ich sie in Gedanken, mit meinen Blicken, ausziehe. Ich stelle mir in allen Farben vor, wie ihr nackter Körper aussieht. Diese Frau, diese Haltung. Sie muss ein Kunstwerk sein. Die Natur hat sich selbst übertroffen, als sie diesen Me n schen schuf.
    Sie starrt auf ihre Finger, die sie ruhelos aneinander reibt. Sie ist nervös. Sie hat Angst. Sie weiß, wo sie ist, und sie weiß, w a rum sie hier ist,
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