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Am Strand des Todes

Am Strand des Todes

Titel: Am Strand des Todes
Autoren: John Saul
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schreien, doch sofort drang das
Salzwasser in seine Kehle und nahm ihm den letzten Atem.
Endgültig sank er zurück in die See.
Als Pete Shelling starb, kreisten seine Gedanken um die
seltsame Vision, die er mit seinem letzten Blick auf diese Welt
erhascht hatte. Ein Boot. Es war ein Boot gewesen. Aber nicht
die »Sea Spray«. Ein kleineres Boot. Und ein Gesicht. Ein
dunkles Gesicht, fast wie das eines Indianers. Aber das konnte
nicht stimmen. Er war allein auf der See, allein in diesem
Sturm, der aus dem Nirgendwo gekommen war. Er starb allein.
Da war nichts – außer der letzten, verzweifelten Hoffnung
eines ertrinkenden Mannes.
Die See ertränkte den Mann und die Hoffnung.
Als einige Stunden später die Sonne aufging, dümpelte die
»Sea Spray« friedlich in der ruhigen See. Ihre Netze umgaben
sie wie die beim Heimkommen einfach hingeworfenen Kleider
einer lebenslustigen Frau, die zu lange getanzt hatte. Von Pete
Shelling war schon lange nichts mehr zu sehen. Nur die einsam
treibende »Sea Spray« schien ihn zu betrauern.
2
    Brad Randall warf einen Blick auf seine Uhr und sah, daß sein
Magen und das Instrument an seinem Handgelenk wie üblich
perfekt synchron waren.
    »Mittagessen?« fragte seine Frau, die seine Gedanken
erraten hatte.
»Ich kann’s noch eine halbe Stunde aushalten, aber dann
werde ich miesepetrig«, meinte Brad. »Irgend etwas in der
Nähe, was sich gut anhört?«
Elaine griff nach der Karte, die sauber gefaltet auf dem
Armaturenbrett lag. »Leider schreiben sie nur die Namen der
Orte in die Karten«, erwiderte sie trocken, »keine
Beurteilungen.« Sie warf einen kurzen Blick auf die Karte und
schaute dann aus dem Fenster. »Gott, Brad, wie wunderschön
es da draußen ist!«
Sie fuhren auf der Route 101 entlang der Westküste der
Olympic Peninsula Richtung Süden. Während der letzten
halben Stunde, seit sie den Crescent Lake hinter sich gelassen
hatten, führte die Straße durch üppige grüne Wälder mit so
dichtem Unterholz, daß Elaine sich gefragt hatte, wie es wohl
gelungen war, Schneisen hineinzuschlagen. Dann waren die
Bäume zurückgewichen und der Strand war breiter geworden.
Gerade als sie die Küste erreichten, war die Wolkendecke
aufgerissen. Zu ihrer Rechten lag der Pazifik glitzernd unter
der späten Morgensonne; eine steife Brise setzte den Wellen
Schaumkronen auf. Zu ihrer Linken stiegen dichte Wälder die
steilen Flanken des Olympic Range hinauf, der als mächtige
Barriere zwischen dem Ozean im Westen und dem Puget
Sound im Osten stand.
»Laß uns anhalten«, sagte Elaine plötzlich. »Ja? Nur für ein
paar Minuten.«
Brad überlegte und warf erneut einen Blick auf seine Uhr.
»Okay, aber wirklich nur ein paar Minuten. Und denk dran, wir
haben keinen Platz mehr für Treibgut im Kofferraum.«
Er bog von der Straße ab und hielt. Die Aussicht war
wirklich atemberaubend. Zwischen Straße und Strand
versprach das allgegenwärtige, silbrig schimmernde Treibholz
dem eifrigen Strandgutsammler verborgene Schätze. Und
Elaine Randall war mehr als eifrig. Bevor Brad auch nur um
den Wagen herumgekommen war, kletterte sie bereits
zwischen den angeschwemmten Stämmen herum, griff sich
einzelne Stücke heraus und verglich sie im Geiste mit den
Schätzen, die sie bereits gehortet hatte. Dann warf sie sie
wieder weg in der Hoffnung, zwei Schritte weiter noch etwas
Besseres zu finden. Brad beobachtete sie amüsiert. Während
ihrer zwei Wochen auf der Halbinsel hatte Elaine den
Kofferraum ihres Wagens mindestens dreimal randvoll gefüllt
– um dann die gestern noch absolut perfekten Stücke gegen
neue auszutauschen, die morgen bestimmt wieder
weggeworfen wurden. Er näherte sich ihr, da er aus Erfahrung
wußte, daß seine Hilfe beim Bergen der Schätze unbedingt
erforderlich war. Als er nur noch wenige Meter von ihr entfernt
war, stieß Elaine einen Triumphschrei aus.
»Ich hab’ einen!« rief sie. »Endlich hab’ ich einen
gefunden!« Sie hielt ein blauschimmerndes Objekt in die Höhe,
und Brad wußte sofort, daß es einer dieser japanischen
Schwimmer war, von denen sie unbedingt einen mit nach
Hause bringen wollte. »Großartig«, meinte er, »dann können
wir jetzt also Mittag essen?«
Es war nicht auszumachen, ob sie ihn gehört hatte. So sehr
war sie mit der Untersuchung ihres Fundes beschäftigt. Sie
konnte einfach nicht glauben, daß er völlig fehlerlos sein sollte.
So viel Glück gab es doch gar nicht! Aber er war einfach
makellos. Elaine blickte glücklich zu Brad auf,
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