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Am Anfang war das Chaos

Am Anfang war das Chaos

Titel: Am Anfang war das Chaos
Autoren: Hans Kneifel
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finden!« versprach sie zänkisch. »Ist das Fleisch bald fertig?«
    »Geduld!«
    Die winzige Quelle gab genug Wasser; sie konnten trinken und die Vorräte von saurem Wein mischen. Zum Waschen reichte es nicht, das war auch nicht sonderlich wichtig. Ilfa hatte auch noch nie gesehen, daß sich die beiden Mimesen je gewaschen hätten, jene Wesen, die mehr als einen Kopf kleiner waren und nichts anderes mit Helmond und ihr gemein hatten als das Aussehen ihrer Köpfe und Körper.
    Ilfa setzte sich auf einen kantigen Steinquader, über dem ein feuchter Mantel lag. Die Schattenzone gab es nicht mehr, und es schien, als würden für Helmonds Bande harte Zeiten anbrechen, noch härtere, als sie überlebt hatten.
*
    Sgnore breitete ihre Flügel aus und zögerte noch, sich von dem kahlen Ast zu stürzen.
    Sie warf einen letzten Blick auf Schattenparadies.
    Nichts mehr war so wie früher. Trotz ihres wenig verträglichen Charakters sah die Haryie ein, daß es einen Weg aus diesem Elend geben müsse. Einen schmalen, beschwerlichen Weg, aber irgendwo gab es wieder eine Chance auf Beute und zu einem guten Leben voller Abenteuer.
    Sie warf sich vorwärts und schlug mit den Schwingen.
    »Tausend Gefahren lauern hier. Ich ahne es!«
    Die Haryie glitt schräg abwärts und spähte in jede Öffnung, die sich ihr im Dschungel bot. Sie flog nach links und auf eine kleine Lichtung zu. Es war nicht der erste Versuch, die Umgebung zu erkunden. Sgnore folgte einem kaum erkennbaren Pfad, der sich unter den Pflanzen dahinwand. Sie ließ sich weiter heruntergleiten, schwebte um einen riesigen Baum herum, streifte ein paar Zweige und flog langsam weiter. Sie hob den Kopf und versuchte, in der Ferne etwas zu erkennen. Irgendetwas, das eine Überraschung versprach, einen lohnenden Beutezug oder gar eine Ansiedlung.
    Sie flog nach rechts hinüber, strich um eine Gruppe nasser, glänzender Felsen und erkannte, daß sich vor und unter ihr kleinere und größere Bäume ablösten, zwischen denen in langgezogenen Lichtungen eine Art Gras oder Schilf wuchs. Aber sie merkte sich die Lage und den Verlauf der wenigen Pfade. Der Umstand, daß sie über die wenigen Bachläufe nicht mit Brücken geführt wurden, ließ erkennen, daß es sich um Tierpfade handelte.
    Langsam flog sie weiter und warf immer wieder einen besorgten Blick zurück. Sie durfte den Weg nach Schattenparadies nicht verlieren.
    Einige Bogenschüsse weiter vorn sah sie Mauerreste. Zwischen Türmen und Zinnen wuchsen dunkelgrüne Pflanzen. Langsam begann sie zu kreisen und schraubte sich höher hinauf, bis sie einen besseren Überblick hatte. Ihre Augen waren scharf, und sie sah trotz der Dunkelheit und der tiefhängenden Wolken, daß dort, etwa zwei Tagesmärsche von Schattenzone entfernt, sich ein großes Ruinenfeld erstreckte. Es gab tatsächlich Türme, eingestürzte und gut erhaltene Mauern, Gewölbe und Treppen. Alles war von Pflanzen überwuchert und halb zugewachsen.
    »Also doch! Menschen? Ein Überfall?«
    Plötzliche Erregung durchflutete sie von den Haaren bis zu den Flügelspitzen. Sie fuhr die Krallen aus ihren Klauen aus und schlug wild mit den kräftigen Schwingen. Neben dem riesigen Bauwerk, das aus weißgewaschenem Stein bestand, lag ein riesiger, halb gekrümmter Körper.
    »Ein Schattenwal!« entfuhr es der Haryie. Er war, wie auch Helmonds Rotte, aus der Schattenzone hierher geschleudert worden. Schon nach einigen Flügelschlägen spürte Sgnore einen Windstoß, der ihr eine gewaltige Wolke schlimmen Gestanks entgegenschleuderte.
    Natürlich! Der Schattenwal war längst zum faulenden Kadaver geworden.
    Gerade, als sie versuchte, sich aus dem Bereich dieser schauerlichen Miasmen zu bringen, sah sie den großen weißen Raubvogel. Es war keine weiße Haryie, wie sie bei Ilfas und Caronjs Bericht vermutet hatte. Es war ein Falke, er erschien ihr groß wie ein weißer Adler, der freilich sehr selten vorkam. Sgnore schlug wild mit den Flügeln, kletterte abermals höher und segelte dann langsam, außerhalb der Gestankwolke, auf das seltsame Gemäuer zu. Die Ansammlung von Steinen, kühnen architektonischen Formen, Verfall und Pflanzenwachstum erregte sie.
    Die Zinnen und Kronen der Mauern kamen näher.
    Plötzlich stoben zwischen den Ruinen und von dem riesigen Körper des Schattenwals große, schwarze Vögel hoch. Sie stießen kreischende Schreie aus. Sie kamen von allen Seiten und schienen nur ein Ziel zu haben: Sgnore.
    Die Vögel waren Aasfresser. Ihre Schnäbel glänzten
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