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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde
Autoren: Mary Mackey
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in der Nähe ihres Zuhauses zu bleiben, außer an Tagen wie diesem, wenn sie zusammen feiern, singen und den neuesten Klatsch erfahren konnten.
    Marrah stand da, überwältigt von dem Anblick. Obwohl sie andere Jungen und Mädchen das Fest der Volljährigkeit hatte feiern sehen, fiel es ihr immer noch schwer zu glauben, daß ganze Familien noch vor Morgengrauen aufgestanden und nach Xori gereist waren, nur um mitzuerleben, wie sie ihre Halskette der Kindheit dem Meer zurückgab. Sie berührte die Lederschnur mit den aufgefädelten Muscheln, die sie schon so lange getragen hatte, wie sie sich erinnern konnte. Bald würde sie die Kette in die Wogen schleudern, um sie der Göttin Amonah zurückzugeben, die die Muscheln in ihrem Mutterschoß gemacht hatte. Plötzlich schien all dies weit aufregender als jeder noch so gefährliche Sprung von den Klippen.
    »Marrah«, riefen die Leute ihr zu, als sie durch das Dorf ging, »komm her und berühre unsere Kinder, damit du ihnen Glück bringst.«
    »Marrah, mögen Xori und Amonah dich segnen!«
    »Mögest du unter ihrem Segen wandeln, Marrah!«
    Einige der Männer riefen ihr sogar zwinkernd zu: »Marrah, wir warten auf dich!«, was sie vor Verlegenheit erröten ließ, obwohl es lächerlich war, da sie sie schon von Kindesbeinen an kannte.
    Die Begrüßungen und guten Wünsche wollten kein Ende nehmen, und als Marrah ihr eigenes Haus betrat, war sie kurz davor, in Tränen auszubrechen. Liebe hüllte sie auf Schritt und Tritt ein, alle brachten ihr nur Wohlwollen und Freundlichkeit entgegen. Nicht ein einziges Mal hatte irgend jemand auch nur andeutungsweise erkennen lassen, daß sie wußten, sie und ihre Mutter waren adoptierte Mitglieder von Urgroßmutter Amas Familie. Nicht ein einziges Mal hatte man sie spüren lassen, daß sie in einem fernen Land geboren worden war oder daß sie anders aussah als das Volk der Küste, dessen Angehörige grobknochiger waren, mit einem breiteren Brustkorb und einer etwas helleren Haut als Marrah. In ihren Augen war sie eine geliebte Tochter von Xori, so sicher, als wäre sie im Tempel zu Füßen des Steins der Göttin geboren worden.
    Beide Türen zum Langhaus standen weit offen. Als Marrah eintrat, traf sie auf hektische Geschäftigkeit. Alle sieben Feuer waren jetzt angezündet, während leckere Speisen in Tontöpfen brutzelten oder an Spießen brieten, überwacht von Hatza und seiner Schwester, Lepa, die als die besten Köche der Familie galten. Esku, Lepas derzeitiger Liebhaber, erschien immer wieder mit Armen voller Holz. Zuriska, der gerade das Mehl zum Backen ausgegangen war, zerrieb Weizenkörner in einem steinernen Mörser, während ihre Tante Hanka ein paar Schritte entfernt damit beschäftigt war, gegorenen Fruchtsaft von einem großen Bottich in kleine Tonkrüge umzufüllen.
    Die einzige Person, die ruhig und gelassen wirkte, war die vierzehnjährige Izirda, die mit Seshi an ihrer Brust in einer Ecke saß, einen träumerischen Ausdruck auf dem Gesicht. Da sie erst vor sechs Wochen entbunden hatte, brauchte Izirda noch keine körperliche Arbeit zu verrichten, mußte noch nicht einmal ihre eigenen Mahlzeiten kochen, was die anderen für sie taten.
    Sabalah saß neben drei großen Körben mit Erdbeeren und sortierte diejenigen aus, die überreif und zerdrückt waren. Als Marrah näherkam, konnte sie sehen, daß ihre Mutter bereits die zeremoniellen Ohrringe, die Halskette aus blauen Steinen und den Leinenrock trug, Dinge, die sie den ganzen weiten Weg aus der Stadt Shara mitgebracht hatte. Über ihren Rock hatte sie eine Strohmatte gelegt, um zu verhindern, daß er fleckig wurde.
    »Guten Morgen, Mama«, sagte Marrah, allerdings nicht in der Sprache des Küstenvolks, sondern in der von Shara, die ihre Mutter sie gelehrt hatte, als sie ein kleines Kind gewesen war, und die zu benutzen Sabalah von ihren Kindern verlangte, wenn sie sich mit ihrer Mutter unterhielten.
    Marrah hob einen nackten Fuß und kratzte sich mit ihrer großen Zehe an der Wade. Es war eine nervöse Geste, eine, die auch vollkommen angebracht war angesichts der Tatsache, daß sie am Morgen ihrer eigenen Volljährigkeits-Zeremonie einfach verschwunden war.
    Beim Klang von Marrahs Stimme zuckte Sabalah erschrocken zusammen, doch statt aufgebracht zu fragen, wo ihre Tochter so lange gewesen sei, fuhr sie fort, Erdbeeren zu verlesen. »Ah, da bist du ja endlich.« Sie hielt einen Moment inne, inspizierte die Beeren, die sie in der Hand hielt, und warf sie auf den Haufen
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