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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl
Autoren: Juliet Nicolson
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gegangen. Sie befürchtete das Schlimmste. Sie hatte versucht, sich auf die unausweichlichen Konsequenzen ihrer Unachtsamkeit einzustellen. Wieder und wieder durchlebte sie die Minuten nach dem Unfall. Die entsetzliche Erkenntnis, für den Tod eines Lebewesens verantwortlich zu sein, verkraftete sie nur schwer.
    Sir Philip hielt ein Streichholz an seine Zigarre und zündete sie an, indem er mehrere tiefe Züge nahm und große, wogende Rauchwolken ausblies. May beobachtete, wie sich das eine Ende der Zigarre durch den Speichel dunkel verfärbte, während das andere Ende bedrohlich glühte. Einen Augenblick lang wurde sein Gesicht von einer riesigen Rauchwolke verhüllt.
    »Ich freue mich, direkt zur Sache kommen und Ihnen eine Mitteilung machen zu können. Miss Nettlefold ist zu dem Schluss gelangt, dass der gestrige Vorfall nicht Ihre Schuld war.«
    May versuchte zu schlucken, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt.
    »Es verhält sich sogar so, dass Miss Nettlefold sich entschuldigen möchte«, erklärte er und wirkte etwas zerstreut. Erst eine Stunde zuvor habe er einen Anruf von Miss Nettlefold aus Sunningdale erhalten. Zuerst habe sie in einem Gemütszustand verständlichen Kummers, ja Grolls gesprochen und erklärt, Wiggle sei »die Liebe ihres Lebens« gewesen und die einzige lebendige Seele, der sie habe vertrauen können. Aber dann habe sie sich beruhigt und angesichts der Bestürzung, die Miss Thomas empfunden haben müsse, zuletzt ihre eigene Bestürzung bekundet.
Dem Hund sei es schon mehrere Tage lang nicht gut gegangen, offenbar eine Allergie gegen Innereien. Diese Schwäche müsse Wiggle davon abgehalten haben, zur Seite zu springen, als die Räder des Wagens sich ihm näherten.
    In diesem Moment wünschte May, sie hätte noch ihr langes Haar, um ihr Gesicht dahinter verstecken zu können. Bestimmt verriet ihre Miene einen Rest der Schuld, die sie verspürte.
    Sir Philip war noch nicht fertig. »Es gibt da noch eine andere kleine Angelegenheit, die ich zur Sprache bringen möchte. Wie ich höre, sind Sie, als Sie Miss Nettlefold gestern zu der Adresse in Sunningdale fuhren, gewissen Leuten begegnet?«
    May nickte.
    »Nun, es liegt mir fern, anzuzweifeln, ob es klug war, Sie diesen Menschen vorzustellen. Wichtig ist, dass ich Sie bereits gut genug kenne, May, um sagen zu können, dass ich Sie für eine verlässliche Person halte. Und für eine intelligente dazu.«
    Sie war sich nicht ganz sicher, worauf er hinauswollte.
    »Deshalb wünsche ich Ihr Versprechen, dass Sie die Zusammenkunft gestern mit niemandem bereden. Und wenn ich sage, ›mit niemandem‹, dann schließt das nicht nur die Angestellten hier im Hause ein, sondern auch Ihre eigene Familie, wenn Sie sie besuchen. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    May nickte heftig.
    Sir Philip lächelte. »Gut. Ich wusste, dass Sie mich verstehen würden.«
    Als May Sir Philips Arbeitszimmer verließ, war sie gleich doppelt erleichtert. Zunächst einmal war sie froh, diesem Geruch entronnen zu sein, einer Mischung aus alten Socken und Zigarrenqualm, der sich über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte angesammelt und in den uralten Steingemäuern des Herrensitzes in Sussex festgesetzt hatte. Vor allem aber erstaunte es sie, dass sie ihre Stelle behalten durfte und vollkommen entlastet worden war. Wenn sie bedachte, wie die Sache hätte ausgehen können, konnte sie sich glücklich schätzen. Auch wenn sie der
Gedanke daran, wie traurig sie Miss Nettlefold gemacht hatte, sehr mitnahm. Sie war verwundert über das nachsichtige Wesen dieser Frau, die es sich am Vortag im Fond des Wagens bequem gemacht hatte. Was die Warnung anbelangte, über die gestrige Begegnung im gelben Salon von Fort Belvedere Diskretion zu wahren, so machte sie sich keine Sorgen. Geheimnisse zu hüten gehörte für May zum Leben, solange sie zurückdenken konnte.
     
    Wie man es von einem respektablen Chaffeur erwarten durfte, hatte May bis zu dem Augenblick geschwiegen, da Miss Nettlefold die gläserne Trennscheibe zur Seite schob. Sie hatte sich ihrem Fahrgast zu Beginn der Fahrt formell vorgestellt, doch Miss Nettlefold war von ihren Taschen und Päckchen und dem kleinen verschnupften Hund so in Anspruch genommen gewesen, dass sie der Fahrerin nur wenig Beachtung geschenkt hatte. Nach einer Weile jedoch konnte May im Rückspiegel die verstohlenen Blicke sehen, die Miss Nettlefold ihr vom Rücksitz aus zuwarf. Sie hatte schon früher damit gerechnet, das ihr inzwischen altbekannte
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