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Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker

Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker

Titel: Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker
Autoren: Arena
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geschmiedet. Grässlich klar sah ich, was nun über mich kommen würde, aber ich war außerstande, auch nur einen Schritt zur Abwehr zu machen. Die Mutter ging ihrer Arbeit nach, in der abendlich dunkelnden Stube stand ich allein und vor mir auf dem Tisch das verstümmelte Kruzifix. Heftig erschrak ich vor jedem Geräusch. Im alten Uhrkasten, der dort an der Wand bis zum Fußboden niederging, rasselte das Gewicht der Schwarzwälder Uhr, welche die fünfte Stunde schlug. Endlich hörte ich draußen auch das Schneeabklopfen von den Schuhen, es waren des Vaters Tritte. Als er mit dem Birkenzweig in die Stube trat, war ich verschwunden.
    Er ging in die Küche und fragte mit wild herausgestoßener Stimme, wo der Bub sei. Es begann im Hause ein Suchen, in der Stube wurden das Bett und die Winkel durchstöbert, in der Nebenkammer, im Oberboden hörte ich sie herumgehen, ich hörte die Befehle, man möge in den Ställen die Futterkrippen und in den Scheunen Heu und Stroh durchforschen, man möge auch in den Wald hinausgehen und den Buben nur stracks vor den Vater bringen – diesen Christabend solle er sich für sein Lebtag merken! Aber sie kehrten unverrichteter Dinge zurück. Zwei Knechte wurden nun in die Nachbarschaft geschickt, aber meine Mutter rief, wenn ich etwa zu einem Nachbarn über Feld und Wald gegangen sei, so müsse ich ja erfrieren, es seien mein Jöpplein und mein Hut in der Stube. Das sei doch ein rechtes Elend mit den Kindern!
    Sie gingen davon, das Haus wurde fast leer und in der finsteren Stube sah man nichts mehr als die grauen Vierecke der Fenster. Ich stak im Uhrkasten und konnte durch die Fugen desselben hervorgucken. Durch das Türchen, welches für das Aufziehen des Uhrwerkes angebracht war, hatte ich mich hineingezwängt und innerhalb des Verschlages hinabgelassen, sodass ich nun im Uhrkasten ganz aufrecht stand.
    Was ich in diesem Versteck für Angst ausgestanden habe! Dass es kein gutes Ende nehmen konnte, sah ich voraus, und dass die von Stunde zu Stunde wachsende Aufregung das Ende von Stunde zu Stunde gefährlicher machen musste, war mir auch klar. Ich verwünschte den Nähkorb, der mich anfangs verraten hatte, ich verwünschte das Kruzifixlein – meinen Leichtsinn zu verwünschen vergaß ich. Es gingen Stunden hin, ich blieb in meinem aufrecht stehenden Sarge und schon saß mir der Eisenzapfen des Uhrgewichtes auf dem Scheitel und ich musste mich womöglich niederducken, sollte das Stehenbleiben der Uhr nicht Anlass zum Aufziehen derselben und somit zu meiner Entdeckung geben. Denn endlich waren meine Eltern in die Stube gekommen, hatten Licht gemacht und meinetwegen einen Streit begonnen.
    »Ich weiß nirgends mehr zu suchen«, hatte mein Vater gesagt und war erschöpft auf einen Stuhl gefallen.
    »Wenn er sich im Walde vergangen hat oder unter dem Schnee liegt!«, rief die Mutter und erhob ein lautes Weinen.
    »Sei still davon!«, sagte der Vater. »Ich mag’s nicht hören.«
    »Du magst es nicht hören und hast ihn mit deiner Herbheit selber vertrieben.«
    »Mit diesem Zweiglein hätte ich ihm kein Bein abgeschlagen«, versetzte er und ließ die Birkenrute auf den Tisch niederpfeifen. »Aber jetzt, wenn ich ihn erwisch, schlag ich einen Zaunstecken an ihm entzwei.«
    »Tue es, tue es – ‘leicht tut’s ihm nicht mehr weh«, sagte die Mutter und setzte das Weinen fort. »Meinst, du hättest deine Kinder nur zum Zornauslassen? Da hat der lieb’ Herrgott ganz recht, wenn er sie beizeiten wieder zu sich nimmt! Kinder muss man lieb haben, wenn etwas aus ihnen werden soll.«
    Hierauf er: »Wer sagt denn, dass ich den Buben nicht lieb hab? Ins Herz hinein, Gott weiß es! Aber sagen mag ich ihm’s nicht; ich mag’s nicht und ich kann’s nicht. Ihm selber tut’s nicht so weh als mir, wenn ich ihn strafen muss, das weiß ich!«
    »Ich geh noch einmal suchen!«, sagte die Mutter.
    »Ich will auch nicht dableiben!«, sagte er.
    »Du musst mir einen warmen Löffel Suppe essen! ‘s ist Nachtmahlzeit«, sagte sie.
    »Ich mag jetzt nichts essen! Ich weiß mir keinen andern Rat«, sagte der Vater, kniete zum Tisch hin und begann, still zu beten.
    Die Mutter ging in die Küche, um zur neuen Suche meine warmen Kleider zusammenzutragen für den Fall, dass man mich irgendwo halb erfroren finde. In der Stube war es wieder still und mir in meinem Uhrkasten war’s, als müsse mir vor Leid und Pein das Herz brechen. Plötzlich begann mein Vater, aus seinem Gebete krampfhaft aufzuschluchzen. Sein Haupt
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