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Als ich im Sterben lag (German Edition)

Als ich im Sterben lag (German Edition)

Titel: Als ich im Sterben lag (German Edition)
Autoren: William Faulkner
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der zersägt die langen heißen traurigen gelben Tage in Bretter und nagelt sie zu irgendwas zusammen. Und Pa glaubt, dass Nachbarn immer so miteinander umgehn, weil er immer zu beschäftigt damit war, sie für sich einzuspannen, und nie die Zeit hatte, darüber nachzudenken. Und ich glaub auch nicht, dass Darl es täte, der am Abendbrotstisch sitzt, die Augen über Essen und Lampe hinweg ins Weite gerichtet, voll von dem aus seinem Schädel gegrabenen Land, die Lücken gefüllt mit der Ferne hinter dem Land.
    Wir pflückten weiter die Reihe runter, die Büsche und der verborgene Schattenplatz kamen immer näher, wir pflückten weiter in den verborgenen Schatten rein mit meinem Sack und mit Lafes Sack. Weil ich mir sagte, soll ich oder soll ich nicht, als der Sack halb voll war, und weil ich mir sagte, wenn der Sack voll ist, wenn wir zu den Büschen kommen, dann kann ich nicht anders. Ich hab mir gesagt, wenn ich es nicht tun soll, wird der Sack nicht voll sein, und ich mach mich an die nächste Reihe, wenn der Sack aber voll ist, kann ich nicht anders. Hat wohl die ganze Zeit so sein sollen, dass ich nicht anders kann. Und wir haben weitergepflückt auf den verborgenen Schattenplatz zu, und es hat unsere Augen zueinander hingezogen, sie haben auf seine Hände gesehn und auf meine, und ich hab nichts gesagt. Dann hab ich gesagt: «Was machst du?», und er hat gesagt: «Ich pflücke in deinen Sack.» Und so war er voll, als wir ans Ende der Reihe kamen, und ich konnte nicht anders.
    Und so ist es passiert, weil ich nicht anders konnte. Es ist passiert, und dann sah ich Darl, und er wusste es. Ohne die Worte zu gebrauchen, sagte er, er weiß, es ist so, wie er mir ohne Worte gesagt hat, dass Ma sterben wird, und ich wusste, dass er es wusste, weil wenn er mit Worten gesagt hätte, dass er es weiß, hätte ich nicht geglaubt, dass er da gewesen war und uns gesehn hat. Aber er sagte, er weiß es, und ich sagte: «Willst du es Pa sagen, willst du ihn umbringen?», ohne Worte habe ich das gesagt, und er sagte ohne Worte: «Warum?» Und darum kann ich so mit ihm reden, weil ich voller Hass weiß, dass er es weiß.
    Er steht in der Tür und sieht sie an.
    «Was willst du, Darl?», frag ich.
    «Sie stirbt», sagt er. Und Tull, der alte Geier, kommt, um ihr beim Sterben zuzusehn, aber ich leg sie alle rein.
    «Wann stirbt sie?», frage ich.
    «Bevor wir zurück sind», sagt er.
    «Warum nimmst du dann Jewel mit?», frage ich.
    «Er soll mir beim Aufladen helfen», sagt er.

[zur Inhaltsübersicht]
    Tull
    Anse reibt sich weiter die Knie. Sein Overall ist verwaschen, auf dem einen Knie ist ein Tuchflicken, rausgeschnitten aus einer alten Sonntagshose, blankgewetzt.
    «Keinem so verdrießlich wie mir», sagt er.
    «Ab und zu muss man vorausdenken», sage ich. «Aber über kurz oder lang renkt sich alles ein, so oder so.»
    «Sie wird gleich losfahren wollen», sagt er. «Auch wenn alles klappt, es ist immer noch weit genug bis Jefferson.»
    «Aber die Straßen sind jetzt gut», sage ich. Heute Abend wird es aber regnen. Seine eigenen Leute begräbt er in New Hope, keine drei Meilen von hier. Sieht ihm ähnlich, eine Frau zu heiraten, die eine anstrengende Tagesfahrt von hier geboren ist, und sie dann bei sich sterben zu lassen.
    Er sieht über das Land und reibt sich die Knie. «Ist keinem so verdrießlich wie mir», sagt er.
    «Die haben reichlich Zeit für den Rückweg, sind jeden Augenblick wieder da», sage ich. «Ich würde mir keine Sorgen machen.»
    «Immerhin drei Dollar», sagt er.
    «Vielleicht müssen sie sich gar nicht so beeilen mit der Rückfahrt», sage ich. «Wollen’s hoffen.»
    «Sie will jetzt gehn», sagt er. «Sie lässt sich nicht mehr davon abbringen.»
    Das Leben ist hart für Frauen. Für manche. Ich denk an meine Mammy, die hat gelebt, bis sie siebzig war, nein, länger. Hat jeden Tag gearbeitet, bei Sonne und bei Regen; keinen Tag krank, seit sie ihren Jüngsten zur Welt gebracht hat, und dann kam ein Tag, da hat sie so sonderbar um sich gesehn und ist zur Kommode gegangen und hat das spitzenbesetzte Nachthemd rausgeholt, das sie seit fast fünfundvierzig Jahren nicht mehr getragen hat, hat es angezogen, sich ins Bett gelegt, die Decke hochgezogen und die Augen zugemacht. «Ihr müsst euch jetzt alle um Pa kümmern, so gut ihr könnt», hat sie gesagt. «Ich bin müde.»
    Anse reibt sich mit den Händen die Knie. «Der Herr hat’s gegeben», sagt er. Wir können hören, wie Cash hinterm Haus hämmert
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