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Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Titel: Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
Autoren: Colin Beavan
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weil ich dadurch selbst zu dem Problem beitrug.
    Ein paar Jahre später, genau genommen 2006, war ich zweiundvierzig und hatte eine kleine Tochter, Isabella, die knapp ein Jahr alt war. Wir wohnten im Greenwich Village, am unteren Ende der Fifth Avenue. Obwohl es Januar war, hatten wir draußen über zwanzig Grad. Mitten im Winter joggten Leute in Shorts an mir vorbei. Junge Frauen von der nahe gelegenen Universität schlenderten in ärmellosen Tops über die Straße.
    Ich ging mit unserem Hund Frankie spazieren. Alle um mich herum freuten sich, nur ich nicht. Im Gegenteil, ichwar beunruhigt. Ich schloss die Haustür auf, ging durch die mit Granit geflieste Eingangshalle und stieg in den Aufzug. Der Fahrstuhlführer, ein älterer, grauhaariger Grieche namens Tommy, sagte: »Ist zu warm, nicht?«
    »Ja, aber stellen Sie sich nur mal vor, wie warm es wäre, wenn es die Erderwärmung wirklich gäbe«, erwiderte ich.
    Das war natürlich sarkastisch gemeint. Damals debattierten die Leute immer noch darüber, ob die Erderwärmung überhaupt existierte. Das war ungefähr die Zeit, als ich anfing, mir wirklich Sorgen zu machen. Was ich in den Zeitungen las, bestätigte nur, was ich bereits in meinem Innern zu spüren glaubte.
    Der Sommer ging fast nahtlos in den Winter über und umgekehrt. Die ausgedehnte Zeit des Frühlings und Herbstes, wie ich sie aus meinen Kindertagen kannte, schien es nicht mehr zu geben. In jenem Dezember hatte ich einen Schneesturm erlebt, mit krachendem Donner und Blitzen, die die weiße Schneedecke in ein unheimliches Grün tauchten. So lange ich denken konnte, hatte ich noch nie einen Schneesturm mit Gewitter erlebt.
    Tommy lachte über meine sarkastische Bemerkung. Er betätigte den Hebel, und mit einem Ruckeln setzte sich der Aufzug in Bewegung. Was konnten wir schon tun?
    In den vergangenen Monaten war ich viel auf Reisen gewesen und hatte über ein Buch geredet, das ich geschrieben hatte, über eine geheime Operation der Alliierten in Frankreich während des Zweiten Weltkriegs. Mit anderen Worten: Ich hatte die vergangenen Monate damit zugebracht, über etwas zu reden, das sechzig Jahre in der Vergangenheit lag, während ich eine Höllenangst vor dem hatte, was hier und heute geschah.
    Woran also dachte ich, während ich mit dem Aufzug nach oben fuhr? An die Eisbären.
    Ich hatte gelesen, dass das Eis am Nordpol so schnell schmolz, dass die Eisbären bei der Nahrungssuche reihenweise ertranken, weil die Eisschollen mittlerweile Hunderte von Meilen voneinander entfernt waren. Forscher hattendie leblosen weißen Körper auf dem offenen Wasser treiben sehen.
    Und schlimmer noch: Aus lauter Hunger und Verzweiflung fraßen die Eisbären gegenseitig ihre Jungen auf. Wir verheizen zu viele fossile Brennstoffe, eine Schicht aus Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen legt sich über die Atmosphäre, der Planet erwärmt sich, die Polkappen schmelzen, die Eisbären finden nicht mehr genug Futter und dezimieren sich selbst. Ich weiß, das kennen Sie alles schon. Aber 2006 war das noch neu, zumindest für mich.
    Was mich jedoch am meisten zur Verzweiflung brachte, war die Überzeugung, dass der Lebensstil, der nach und nach unseren Planeten zerstört, uns nicht einmal glücklich macht. Es wäre ja noch zu verkraften, wenn wir am Morgen nach einer Wahnsinnsparty in einer Ruine aufwachen würden, aber zumindest sagen könnten, dass wir einen Riesenspaß gehabt haben. Aber ich bin ziemlich sicher, dass die 6,5 Milliarden Menschen, die sich diese Erde teilen, im Schnitt nicht annähernd so glücklich sind, wie sie sein könnten.
    Mal ganz abgesehen von den Menschen, die nicht einmal genug zu essen und sauberes Wasser zu trinken haben, kenne ich in New York und an anderen Orten unserer schnelllebigen Konsumgesellschaft jede Menge Leute, die unzufrieden sind mit dem Leben, für das sie sich abgerackert haben, weil es angeblich erstrebenswert ist.
    Viele von uns arbeiten so hart, dass wir nicht genug Zeit für die Menschen haben, die wir lieben, deshalb fühlen wir uns einsam. Wir glauben nicht wirklich an das, was wir tun, deshalb haben wir das Gefühl, uns zu verkaufen. Unser Chef hat keine Verwendung für unsere kreativen Talente, deshalb verspüren wir keine Erfüllung. Wir haben zu wenig Verbindung zu etwas Größerem, deshalb fehlt unserem Leben die Bedeutung.
    Diejenigen von uns, die das Glück haben, für diese Opfer wenigstens gut bezahlt zu werden, amüsieren sich mit teurem Spielzeug und Abenteuern
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