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Allem, was gestorben war

Allem, was gestorben war

Titel: Allem, was gestorben war
Autoren: Ake Edwardson
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sollte es werden, wenn er keine Kraft mehr hatte?
    »Wieso macht sich jemand die Mühe, den Kerl hier festzunageln?« Bourse strich sich über den ordentlich gestutzten Schnurrbart, hatte sich die Frage eher selbst gestellt. Ard hatte über das Wasser geschaut und das Geschepper der schweren Fahrzeuge gehört, die über die Älvsborgsbrücke fuhren. Die Konstruktion hatte eine eigene Stimme, wie ein Zug, der widerwillig in Bewegung gesetzt oder zum Stillstehen gezwungen wird.
    »Eine Warnung vielleicht, ein Signal, eine extravagante Abrechnung. Leute mit einem besonderen Sinn für den Geist von Göteborg.«
    »Jetzt kann ich dir nicht ganz folgen.«
    »Vielleicht ein Segler. Du siehst ja den roten Stein dort. Der Gedenkstein für alle Seefahrer, die hinausfuhren und nie zurückkehrten. Auf diese Weise bekommt man ein ewiges Zuhause in dieser Seemannsstadt.«
    »Das ist also ein Heiligtum.«
    »Kennst du die Legende nicht? Ich eigentlich auch nicht so genau, aber irgendwas in dieser Richtung ist es.«
    Die beiden Männer betrachteten den roten Stein, bis Sten Ard den Blick löste und zu Nya Varvet am anderen Ufer der kleinen Bucht schaute, die wie ein Keil von der Natur ins Land getrieben war.
    Späte Nacht, früher Morgen, noch keine Zeugen, aber irgendjemand musste doch etwas gesehen haben. Diesen Weg wanderten unter normalen Umständen viele entlang. Vermutlich nur nicht im Moment, die Klippen waren allzu heiß, und das Wasser glitzerte wie Stanniol.
    Vor zwei Nächten wäre es anders gewesen: reichlich Zeugen, wenn das passiert wäre, was jetzt passiert war, aber Zeugen, die von etwas anderem in Anspruch genommen waren.
    Zweihundertfünfzig Meter westlich von der Stelle, wo der Tote saß, hatte vor einiger Zeit eine junge Familie ein neues Lokal eröffnet. Nur ein Schuppen, aber hübsch gestrichen. Der Strand davor war endlich gesäubert, einige Tische waren hinausgestellt worden, Naturmöbel: an Land gespültes Treibgut. Die Leute konnten eine Pause machen und eine Tasse Kaffee trinken, dazu einen Kopenhagener oder ein Eis essen. Viele nahmen die Gelegenheit wahr, stille Minuten mit Blick auf den Betrieb im Hafen.
    Zwei Wochen hatte das gedauert. Eines Nachts dann hatten vier Leute Möbel und Serviertische sorgfältig zerschlagen, Benzin darüber gegossen und alles angezündet. Eine Weile hatten sie dagestanden und in die Flammen geschaut, dann waren sie weggegangen. Sie waren von irgendwas bedröhnt und vielleicht deswegen nicht richtig verantwortlich für ihre Taten. Bucht und Strand sahen jetzt wieder aus wie vorher: verwüstet. Auf diese Weise lockerte sich der Druck auf die benachbarten Stadtteile. Die Abrechnungen an den Straßenkreuzungen zwischen Menschen, denen die Gesellschaft mit abgewandten Gesichtern zuschaute, wurden weniger. So gesehen war der Brand in Nya Varvet eine gute Sache. Er verteilte die Aggressivität über ein größeres Gebiet, dünnte sie aus.
    Ove Bourse starrte finster auf den jetzt leberförmigen Blutfleck.
    »Das wird ein Scheißsommer. Hier haben wir es mit einem feinen Herrn zu tun.«
    Zwei Stunden später bestand Klarheit darüber, wie fein dieser Herr gewesen war. Das neue, digitalisierte Identifikationssystem legte zwei Einser und zwei Nullen über Kreuz und hatte einen Treffer: Georg Laurelius, fünfundvierzig, erfolgreicher Immobilienmakler und Unternehmensberater mit übervollem Terminkalender. So war es die meiste Zeit gewesen, so hatte er gelebt in einem Regen von Geld.
    Georg Laurelius schien die Fähigkeit besessen zu haben, übers Wasser zu gehen, solange es einen noch trug. Er hatte den Einbruch nach den kauffreudigen achtziger Jahren gut überlebt.
    Sten Ard verbrachte eine Nachmittagsstunde in Laureli-us' Büro in der Storgatan, in einem der hübschen Patrizierhäuser, die wie sichere kleine Paläste wirkten mit Fassaden, die von der Zeit abgeschliffen worden waren. Die Sonne reichte nicht ganz bis hinunter in die Straßenschlucht. Als Ard die Haustür öffnete, stieß er auf Menschen, die fünf Minuten im Schatten verharrt hatten, bevor sie sich wieder dem Schein der Lötlampe am Himmel aussetzten.
    Nach Meinung der gut gekleideten Sekretärin war es nur noch eine Frage von Minuten, dann würde Göteborgs Wirtschaftsleben zusammenbrechen.
    »Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
    »Direktor Laurelius hat gestern Abend noch spät hier im Büro gearbeitet. Er war allein, als ich um achtzehn Uhr drei ging.«
    »Woher wissen Sie, dass er noch lange geblieben
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