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Allem, was gestorben war

Allem, was gestorben war

Titel: Allem, was gestorben war
Autoren: Ake Edwardson
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Grossmans »Leben und Schicksal«: ein ermordetes Kind, davon hatte er sich nach dem Lesen erholt.
    Ein Küchentisch und vier Stühle. An den Wänden hingen fünf Kunstwerke von Künstlern, die er kannte. Auf dem kleinen Tisch stand ein Elefant aus dunklem Holz. Am Fenster im Schlafzimmer standen zwei Farne, die er tatsächlich am Leben erhalten hatte. Im so genannten Wohnzimmer hatte seine elfjährige Tochter blaue Vorhänge aufgehängt und sie mit einem dunkelblauen Band hochgebunden. Im Küchenfenster stand ein Wunderstrauch, der immer noch gut erhalten war.
    Hier wohnte er jetzt seit neun Monaten. Er fühlte sich ungebunden.
    Jonathan Wide öffnete die Wohnungstür und betrat das Treppenhaus. Er drehte sich um und schloss die Tür ab.
    Hinter sich hörte er eine Bewegung und wurde von einem harten Schlag am unteren Teil seines Hinterkopfes getroffen. Als er bewusstlos zu Boden glitt, kratzte der Schlüssel, den er immer noch in der Hand hielt, eine hässliche Linie an der Tür entlang bis hinunter zum Fußboden.

3
    Die Wärme kam nie in Etappen. Sie war ständig da, hielt sich nur in den frühen Morgenstunden zurück. Wenn das milchige Licht zu einem Schleier feiner Glasfäden wurde und die Hitze wie eine Feuerzunge niederdrückte.
    Der Morgen war in den frühen Vormittag übergegangen. Der Tote war aus seiner unbequemen Haltung befreit, seitwärts auf eine Bahre gelegt und von Klippans Spazier-und Joggingwegen entfernt worden. Ein weißer Schärendampfer fuhr auf dem Weg zu den nördlichen Schären vorbei, das Wasser am Bug wie blaues Kristall, die Passagiere wie braune Trauben entlang der Reling, die Kinder hatten ihre Augen überall. Ein entgegenkommendes Bugsierschiff vom Röda Bolaget drehte Steuerbord ab, die Heckwellen liefen in einem Muster auf den Roten Stein zu, das das Licht auf tausenderlei Art brach.
    »Hier hat der Begriff stabile Seitenlage einen neuen Sinn bekommen«, sagte Kriminalkommissar Sten Ard zu seinem Kollegen Ove Bourse, als die Bahre in den Krankenwagen gerollt worden war. Das Auto fuhr auf die Brücke zu und verschwand um die Ecke. Bald war nur noch das Geräusch von trockenem Schotter auf weichem Asphalt zu hören.
    »Ich glaube nicht, dass er die Fahrt in der Seitenlage besonders unbequem findet.«
    »Er ist dort, wo es keine Passionen gibt, jedoch auch keinen Schmerz.«
    »Ferlin?«
    »Warum ausgerechnet er? Persönlicher Favorit?«
    »Der Einzige, der mir so schnell eingefallen ist.«
    »Ard. Sten Ard. Die Worte sind mir einfach so gekommen. Hat es poetisch geklungen?«
    »Jedenfalls hat es nicht wie etwas geklungen, was einem Kriminalkommissar an einem eventuellen Tatort normalerweise einfällt.«
    Ard strich sich über die rote, sommersprossige Glatze. Er war ein großer Mann mit einem schweren Körper, der einen kräftigen Eindruck machte. Die Nase in seinem Gesicht kam aus der Familie der Mutter, alles andere von Vaterseite: ein Cyrano, einem Bauernstamm aus Nordhallland entsprungen.
    Er mochte die Wärme, aber es gab ja auch Grenzen, und diese Grenze war schon seit Wochen überschritten.
    »Mich hat die Situation inspiriert.«
    Ard sah Bourse an. Ove hatte keine Probleme mit der Hitze, selbst jetzt, mit Schlips und Kragen, sah er noch frisch aus.
    Konnte man behaupten, dass Leichen ihn inspirierten?
    »Die tropische Wärme inspiriert mich ja vielleicht doch. Vielleicht bin ich ernsthaft krank.«
    Einer von der Spurensuche warf Ard und Bourse einen Blick zu.
    Woher nahmen die Alten die Kraft für so ein Geplänkel? Selten hatte er jemanden von der Fahndung so reden hören, Profis, bei Gott, dachten sie nach, während sie so redeten, oder war es ein Ritual, eine Form, die Gedanken zu sammeln, sich vorzubereiten, wie hieß das noch ... mentale Einstimmung. Konnte das so heißen?
    Sten Ard stemmte die Hände in die Hüften und drückte die Arme nach vorne und hinten. Er war neunundvierzig und fühlte sich steif. Schon mit dreißig war sein Körper steif gewesen, früher hatte er Fußball gespielt, dann Badminton und Squash, und jetzt lief er zwei-, dreimal in der Woche, aber er war immer steifer geworden. Wie sollte das werden? Das Leben wurde starrer ... war in Formen erstarrt, es gab keine neuen Formen mehr.
    Schon jetzt hatte er Schwierigkeiten, sich an gewissen entlegenen Stellen abzuwischen. So manchen Morgen hatte er das Gefühl, als wäre sein Körper mit einem kräftigen Leim überzogen, die Arme ließen sich kaum bewegen. Jeden Morgen musste er die Fugen aufbrechen. Wie
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