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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Gary Paulsen
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Wie auch immer – er musste die Kontrolle über die Maschine behalten, um sie knapp über dem Boden hochzureißen und das Tempo abzufangen.
    Ganz logisch, nicht wahr? Ein schneller Gleitflug, ein kurzes Abfangen, ein sanftes Aufsetzen.
    Tja, aufsetzen. Aber wo?
    Für eine Notlandung brauchte er eine baumfreie Lichtung. Dummerweise hatte Brian, seit sie über endlose Wälder flogen, keine Lichtungen mehr gesehen. Wohl ein paar Sümpfe. Aber auch dort standen einzelne Bäume, an denen ein Flugzeug zerschellen konnte. Straßen und Waldwege gab es nicht. Auch keine Schneisen im Wald.
    Nur Seen. Es gab nur endlosen Wald und Seen. Darum hatte Brian nur eine Chance: eine Notwasserung auf einem See. Eine Bruchlandung in den Baumwipfeln bedeutete den sicheren Tod. Das kleine Flugzeug würde in Stücke zerfetzt werden.
    Also würde er versuchen auf einem See aufzusetzen. Oder noch besser, am Rand eines Sees. Nah am Ufer. Er musste die Maschine abfangen, um das Tempo zu drosseln, und dann auf dem Wasser aufsetzen.
    Leichter gesagt als getan!, dachte er sich.
    »Leichter gesagt … leichter gesagt«, flüsterte er vor sich hin. Es war wie eine Beschwörung, dumpf untermalt vom Dröhnen des Motors. Viel schwerer war es, so etwas zu tun.
    Nein, es war unmöglich.
    Immer wieder versuchte er es mit seinem Funkspruch, jeweils im Abstand von zehn Minuten. In den Zwischenpausen überlegte er sich, was er tun sollte. Er nahm allen Mut zusammen, streckte die Hand nach dem Piloten aus und berührte sein Gesicht. Aber die Haut war kalt, leblos und kalt, starr und kalt wie der Tod. Brian schauderte und wandte sich wieder den Instrumenten zu. Er traf alle Vorbereitungen und konzentrierte sich. Er zog den Sicherheitsgurt straff, beugte sich vor und wiederholte im Geist immer wieder, was er zu tun hatte.
    Wenn das Benzin aus war, musste er die Maschine nach unten drücken, den nächsten See anpeilen und aufs Wasser hinuntergleiten. So einfach stellte er sich das vor. Irgendwie auf das Wasser hinuntergleiten. Kurz vor dem Aufsetzen musste er das Steuer zurückreißen, das Flugzeug hochziehen und die Wucht des Aufpralls vermindern.
    Immer wieder ließ er die Szene vor seinem inneren Auge abrollen. Benzin ist aus; Flugzeug gleitet hinunter zum Wasser; und krrrach! Oft hatte er es im Fernsehen gesehen – den Aufschlag des Flugzeugs und dann die spritzende Flut. Jede Phase versuchte er sich unauslöschlich einzuprägen. Er wollte bereit sein, wenn das Unvermeidliche kam.
    Und es kam. Plötzlich und ohne Vorwarnung fing der Motor an zu stottern, brüllte noch einmal auf und starb ab. Dann herrschte Schweigen, nur verstärkt durch das kraftlose Schwirren des Propellers und das Brausen des Fahrtwindes an der Verglasung des Cockpits.
    Brian drückte die Nase des Flugzeugs nach unten – und hielt den Atem an.

3
    Es ist aus!, murmelte Brian. Jetzt ist es aus mit mir. Es war keine Trauer und keine Angst vor dem Tod. Es war nur die kalte Panik, die sein Gehirn umfangen hielt.
    Es ist aus.
    Er drückte die flache Hand auf den Mund und schob das Steuer weiter nach vorn. Das Flugzeug stürzte in einen Gleitflug, einen sehr steilen Gleitflug, bei dem es rasch an Höhe verlor. Aber weit und breit war kein See in Sicht. Die ganze Zeit, solange sie über die Wälder flogen, hatte es Seen gegeben, in großer Zahl. Doch jetzt waren sie verschwunden. Einfach verschwunden. Weit vorne am Horizont gab es welche, viele sogar. Rechts und links in der Ferne musste es Seen geben, blau schimmernd in der Nachmittagssonne.
    Was er brauchte, war ein See direkt unter ihm. Er brauchte eine offene Wasserfläche, auf der sein Flugzeug aufsetzen konnte – doch was er durch die Glasscheibe sah, direkt vor sich, waren Bäume, nichts als tödliche grüne Bäume. Und falls er nach links oder nach rechts auszuweichen versuchte, war es nicht sicher, ob er das Flugzeug weiter im Gleitflug steuern konnte. Sein Magen verknotete sich und sein Atem ging flach und hechelnd.
    Sah er dort nicht einen See schimmern? Nicht direkt vor sich, sondern etwas weiter rechts. Es war ein L-förmiger See, mit runden Buchten, und das Flugzeug hielt ungefähr auf das Ende des längeren Wasserarms zu. Noch etwas weiter nach rechts! Er trat leicht auf das rechte Ruderpedal und die Nase des Flugzeugs schwenkte herum.
    Aber der Richtungswechsel kostete Tempo und jetzt zielte die Nase auf eine Stelle im Wald, weit vor der Bucht. Brian zog vorsichtig das Steuer zu sich und die Nase kam wieder hoch. Dadurch
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