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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Gary Paulsen
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aber es mochte auch eine statische Störung sein. Zwei oder drei Minuten lauschte Brian, dann zehn Minuten, aber es war vergeblich. Er hörte nichts mehr. Panisch fingerte er am Schalter des Mikrofons.
    »Die Flugnummer weiß ich nicht. Mein Name ist Brian Robeson und wir sind abgeflogen in Hampton, im Staat New York. Unser Ziel waren die kanadischen Ölfelder im Norden, wo mein Vater arbeitet. Ich kann die Maschine nicht fliegen und der Pilot …«
    Er ließ das Mikrofon los. Seine Stimme überschlug sich und er fürchtete, gleich wieder loszuheulen. Mit einem tiefen Atemzug beruhigte er sich. »Falls jemand mich hört und mir helfen kann ein Flugzeug zu fliegen, dann antworten Sie bitte!«
    Wieder schaltete er das Mikrofon ab, doch aus den Kopfhörern kam nichts als knatterndes Rauschen. Noch eine ganze Weile lauschte er und wiederholte in Abständen seinen Hilferuf. Dann gab er es auf; er riss den Kopfhörer herunter und warf ihn auf den Boden. Alles war sinnlos. Auch wenn jemand ihn hörte – was hätte er für ihn tun können? Ihm den Rat geben, gut auf sich aufzupassen?
    Es war sinnlos.
    Er wandte sich wieder den Zifferblättern und Instrumenten zu. Welches mochte der Tachometer sein, der die Geschwindigkeit anzeigte? Auf einer Skala las er die Zahl 160. War dies die Geschwindigkeit, mit der das Flugzeug sich in der Luft bewegte, oder das Tempo über dem Boden? Brian wusste, dass Geschwindigkeit in der Luft etwas anderes ist als am Boden. Mehr wusste er aber nicht.
    Bücher fielen ihm ein, die er über das Fliegen gelesen hatte. Wie die Tragflächen und das Seitenruder funktionierten, wie der Propeller das Flugzeug durch die Luft bewegte. Einfache Dinge, die ihm nicht weiterhelfen konnten.
    Nichts konnte ihm jetzt helfen.
    Die Minuten verstrichen. Er angelte nach dem Kopfhörer und setzte ihn wieder auf. Noch einmal musste er es mit dem Funkgerät versuchen. Eine andere Hoffnung gab es nicht. Doch es kam keine Antwort auf seinen Hilferuf. Brian fühlte sich wie ein Gefangener in einem winzigen Käfig, hoch über den Himmel schwebend. Aber wohin die Reise ging, das wusste er nicht. Und wie lange noch?
    Das war die entscheidende Frage. Wie lange noch? Bis das Benzin zu Ende war. Wenn das Flugzeug kein Benzin mehr hatte, würde es abstürzen.
    So einfach war das.
    Andererseits konnte Brian das Gas drosseln und eine Notlandung versuchen. Er hatte gesehen, wie der Pilot den Gashebel hineindrückte, um den Motor zu beschleunigen. Wenn er den Hebel jetzt ganz herauszog, würde er den Motor abwürgen – und das Flugzeug würde abstürzen.
    Dies waren die beiden Möglichkeiten. Er konnte warten, bis das Benzin zu Ende war, und zur Erde stürzen. Oder er konnte den Motor abwürgen und gleich eine Notlandung versuchen. Warten bedeutete, dass die Reise noch ein Stückchen weiterging. Aber wie lange? Und wohin überhaupt? Denn als der Pilot sich in Krämpfen wand, hatte sein Fuß die Pedale berührt und das Flugzeug hatte den Kurs geändert. Brian wusste jedoch nicht, wie weit es von seinem eigentlichen Kurs abgekommen war. Auch wusste er nicht, welchen Kurs sie ursprünglich eingehalten hatten. Eines der Instrumente zeigte die Zahl 342. War dies vielleicht der Kompass? Fieberhaft überlegte Brian: Wenn er nicht wusste, wohin die Reise ging, dann war es beinahe egal, ob er gleich abstürzen oder ein Weilchen warten wollte.
    Alles in ihm lehnte sich dagegen auf den Motor abzuschalten und gleich eine Bruchlandung zu riskieren. Vielleicht war es falsch, blindlings in eine unbestimmte Richtung zu fliegen. Aber die Angst vor dem Absturz war einfach zu groß. Einstweilen fühlte sich Brian in Sicherheit: Das Flugzeug flog immer noch und er war noch am Leben. Wenn er den Motor abschaltete, begann der Sturzflug ins Ungewisse.
    Darum ließ Brian das Flugzeug fliegen. Er versuchte die Höhe zu halten – und probierte es immer wieder mit dem Funkgerät. Dabei entwickelte er ein System: In regelmäßigen Abständen rief er eine kurze Botschaft ins Mikrofon. »Hilfe! Ich brauche Hilfe. Hört mich da jemand?«
    Zwischen den einzelnen Funksprüchen versuchte er sich auf das Unvermeidliche vorzubereiten. War das Benzin zu Ende, dann war auch die Hoffnung vorbei. Dann kam, was kommen musste. Ohne die Zugkraft des Propellers konnte er nur noch versuchen das Flugzeug in einen schnellen Gleitflug zu drücken, um ein Abtrudeln über die Tragflächen zu vermeiden. Hatte er dies in Büchern gelesen? Oder war ihm die Idee erst jetzt gekommen?
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