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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Gary Paulsen
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die einzige Möglichkeit, Hilfe zu rufen.
    Zitternd streckte er die Hand aus. Er hatte Angst, den Piloten zu berühren. Aber er brauchte das Funkgerät! Er ließ das Steuer los und wartete mit angehaltenem Atem, was passierte. Das Flugzeug flog aber weiter, ohne die Richtung zu ändern.
    Los, jetzt!, dachte er. Er musste es wagen. Also drehte er sich zur Seite – aus dem Augenwinkel über die Nase des Flugzeugs peilend, ob es sich wieder zum Sturzflug senkte. Vorsichtig griff er nach dem schlaff zur Seite hängenden Kopf des Piloten und hob ihm die Kopfhörer ab. Oh, es ging leicht. Aber der Schalter des Mikrofons klemmte am Gurt des leblosen Mannes. Brian zerrte am Kabel und versuchte es loszureißen. Mit einer unbedachten Bewegung stieß er gegen das Steuer – und schon sackte die Motorhaube des Flugzeugs unter den Horizont. Schnell packte Brian mit seiner freien Hand das Steuer und riss es zurück. Die Maschine bäumte sich auf und taumelte in eine Reihe von Sturzflügen und halben Loopings.
    Als er die Maschine endlich wieder unter Kontrolle hatte, machte er noch einen Versuch. Mit einem Ruck konnte er das Mikro-Kabel vom Gurt des Piloten befreien. Schnell schob er sich den Kopfhörer über die Ohren, die Sprechmuschel vor die Lippen. Zum Glück konnte er sich erinnern, wie der Pilot das Funkgerät eingeschaltet hatte: Anscheinend brauchte man nur den Schalter am Ende des Kabels zu drücken! Brian probierte es und pustete ins Mikrofon.
    Er hörte nur seinen eigenen Atem im Kopfhörer. »Hallo! Ist da jemand, irgendwo, der mich hören kann? Hallo?«
    Dies wiederholte er ein paarmal und lauschte. Aber die Kopfhörer blieben stumm.
    Jetzt geriet er in Panik. Ja, er hatte Angst gehabt, als er sich klarmachte, was passiert war. Jetzt aber spürte er, wie die kalte Panik ihn packte. Besinnungslos schrie er ins Mikrofon:
    »Hilfe! Ist da jemand, der mir helfen kann? Ich sitze in diesem Flugzeug und weiß nicht … kann nicht … weiß nicht …«
    Tränen schossen ihm in die Augen. Blind vor Angst fing er an zu weinen. Mit beiden Fäusten schlug er auf das Steuer ein und sofort sackte das Flugzeug durch, fing sich wieder, taumelte wieder, bis es endlich wieder auf gleicher Höhe blieb. Aber so angestrengt Brian auch lauschte, hörte er nur – wie zum Hohn – sein eigenes frustriertes Schluchzen.
    Das Mikrofon! Plötzlich hatte er eine Erkenntnis. In den Ferien hatte er einmal gesehen, wie sein Onkel, unterwegs im Geländewagen, sein Sprechfunkgerät eingeschaltet hatte. Ja, das war die Lösung! Man musste nur, nachdem man ins Mikrofon gesprochen hatte, noch einmal den Schalter drücken, um den anderen Teilnehmer zu hören. Mit zitternden Fingern tastete er sich am Kabel entlang und suchte den Hebel.
    Anfangs war nur ein verzerrtes Rauschen und Knistern zu hören. Dann erkannte er, undeutlich und verschwommen, eine menschliche Stimme:
    »… Teilnehmer, bitte schalten Sie am Schluss der Durchsage Ihr Mikrofon ab. Sonst kommt mein Signal nicht durch. Over .«
    Die Stimme verschwand und Brian rief aufgeregt in den Äther: »Hallo, ich kann Sie hören! Hier bin ich …« Er drückte den Schalterknopf.
    »Roger. Jetzt kann ich Sie empfangen.« Die Stimme klang schwach, wie aus weiter Ferne. »Bitte, erklären Sie Ihr Problem und geben Sie Ihre Position durch. Und sagen Sie ›Over‹ am Ende der Durchsage. Over.«
    Mein Problem erklären!, seufzte Brian. O Gott, mein Problem. »Ich sitze in einem Flugzeug und der Pilot hatte einen Herzanfall. Er ist … Äh, er kann nicht mehr fliegen. Und ich weiß nicht, wie man ein Flugzeug steuert. Helfen Sie mir. Bitte helfen Sie mir …« Er schaltete das Mikro ab, ohne den Funkspruch korrekt mit ›Over‹ zu beenden.
    Die Antwort kam mit einiger Verzögerung: »Ihr Signal war unterbrochen. War nur teilweise zu empfangen. Habe verstanden … der Pilot ist … Sie können nicht fliegen. Ist das richtig? Over.« Die Stimme ging unter in statischem Rauschen und Knistern.
    »Richtig«, schrie Brian. »Ich kann nicht fliegen. Das Flugzeug fliegt noch auf geradem Kurs. Aber ich weiß nicht, wie lange. Over.«
    »… Empfang unterbrochen. Ihre Position, bitte. Flugnummer … Position … – ver.«
    »Die Flugnummer weiß ich nicht. Auch nicht die Position. Ich weiß überhaupt nichts. Das habe ich doch gesagt!
    Over.«
    Brian wartete und hielt den Atem an. Aber er hörte nichts mehr. Die Kopfhörer blieben stumm. Irgendwann kam ein Knacken, ein dünner Pfeifton aus einer anderen Welt,
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