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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Gary Paulsen
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…« Zischend, die Zähne zusammengebissen, stieß der Pilot die Worte hervor. »Grausamer Schmerz, hier oben. Grausamer Schmerz. Dachte zuerst, ich hätte irgendetwas gegessen. Aber jetzt …«
    Wieder schüttelte ihn ein Krampf und er konnte nicht weitersprechen. Brian sah hilflos zu, wie schlecht es ihm ging. Mit schmerzverzerrtem Gesicht warf sich der Pilot gegen die Rückenlehne und zog die Beine an.
    »Noch nie so etwas erlebt …«
    Der Pilot tastete blind nach dem Schalter am Kabel seines Mikrofons. Mit einem Ruck zog er die Hand vom Magen hoch und drückte den Schalter und zischte gequält ins Mikrofon: »Dies ist Flug Nummer vier-sechs-…«
    Ein neuer Krampf traf ihn mit der Wucht eines Hammers und warf ihn zurück in seinen Sitz. Brian streckte die Hand aus, wollte irgendwie helfen. Er wusste nicht, was dies alles zu bedeuten hatte.
    Und plötzlich verstand er.
    Der Pilot riss den Mund auf und schnappte nach Luft, fluchte und schlug den Kopf gegen die Nackenstütze. Mit der Hand umklammerte er seine linke Schulter. Und zischte fluchend: »Oh, mein Gott! Oh, verdammt! Es zerreißt mir die Brust!«
    Der Pilot hatte einen Herzinfarkt. So etwas hatte Brian schon einmal gesehen. Damals, als er mit seiner Mutter in der Fußgängerzone einkaufen ging. Ein Mann war vor Paisleys Kaufhaus zusammengebrochen. Auf dem Straßenpflaster hatte er gelegen, seinen linken Arm umklammernd, und über furchtbare Schmerzen in der Brust geklagt. Es war ein alter Mann gewesen. Viel älter als der Pilot.
    Ja, der Pilot hatte einen Herzinfarkt. Noch während Brian diese Erkenntnis dämmerte, sah er, wie der Pilot sich noch einmal aufbäumte – und mit furchtbarer Kraft rückwärts gegen die Sitzlehne fiel. Er strampelte mit den Beinen – und plötzlich kippte das Flugzeug zur Seite. Der Kopf des Mannes fiel schlaff nach vorn und weißlicher Speichel floss über seine Lippen. Er verdrehte die Augen nach oben, bis nur noch das Weiße zu sehen war.
    Nur noch das Weiße in seinen Augen! Und der Gestank wurde immer schlimmer – hing wie ein Nebel im Cockpit. Alles ging so schnell, dass Brian es gar nicht mit dem Verstand aufnehmen konnte. Wie in Zeitlupe sah er alles vor sich abrollen.
    Vor einer Minute noch hatte der Pilot gesprochen. Er hatte über Schmerzen geklagt. Er hatte sogar versucht über Funk eine Meldung zu machen.
    Dann waren die Krämpfe gekommen, bei denen der Pilot sich aufbäumte und schließlich wie gelähmt nach hinten fiel.
    Plötzlich drang Einsamkeit durch das Dröhnen des Motors. Ein Gefühl von schweigender Einsamkeit. Brian war allein.
    Er war allein – und starr vor Angst. Er konnte sich nicht bewegen. Er konnte keinen Gedanken fassen, der über den Moment hinausging. Er schaute aus weit aufgerissenen Augen und fühlte nichts. Kaltes Entsetzen hatte ihn gepackt – so jäh, dass sein Herz und sein Atem stockten.
    Sekunden verstrichen.
    Und langsam begriff er, was hier passiert war. Es war so furchtbar, dass er nicht wagte sich die Wahrheit einzugestehen.
    Hier saß er, in einem winzigen Flugzeug, hoch über der menschenleeren Wildnis. Und der Pilot neben ihm hatte einen schweren Herzanfall erlitten. Er lag bewusstlos neben ihm – und war vielleicht schon tot.
    Brian war allein. In einem Flugzeug, das steuerlos – ohne Pilot – durch den Himmel raste.

2
    Sekunden verstrichen und Brian konnte sich nicht bewegen. Auch als sein Kopf wieder zu funktionieren begann, als er erkannte, was passiert war, konnte er nichts tun. Es war, als hätte er Blei in den Armen und Händen.
    Verzweifelt suchte er nach einem Ausweg. Er klammerte sich an die Wunschvorstellung, dass all dies gar nicht passiert sei. Er schläft ja nur, der Pilot!, versuchte er sich einzureden. Er schläft nur – und gleich wird er die Augen aufmachen, seine Hände werden nach dem Steuer greifen und seine Füße werden nach den Pedalen tasten. Aber nichts geschah.
    Der Pilot bewegte sich nicht. Nur sein Kopf rollte kraftlos hin und her, während das Flugzeug von Turbulenzen geschüttelt wurde.
    Das Flugzeug.
    Irgendwie flog das Flugzeug noch immer. Fast eine Minute musste vergangen sein – und es flog immer noch, als sei nichts geschehen. Brian musste etwas tun. Er wusste nicht, was, aber er musste irgendetwas tun.
    Helfen! Er musste helfen.
    Er streckte die Hand nach dem Piloten aus. Mit zitternden Fingern tastete er nach der Brust des Mannes. Er wusste nicht, was nötig war. Ja, es gab Erste-Hilfe-Techniken, die man bei Opfern von
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