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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde
Autoren: Brian W. Aldiss
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erstarrt unter seinem kreisenden Flugzeug lag und seinen Wiedereintritt in die menschlichen Affären erwartete. Gleichzeitig das entgegengesetzte Gefühl, daß die Ereignisse schnell vorbeihuschten, gerade nicht mehr steuerbar…
    Nach achtundsiebzig Minuten Wartezeit wurde die tägliche Pan-Pac-Boeing aus San Diego auf die Notlandebahn A heruntergeführt. Bestrebt, chinesischen Luftraum nicht zu verletzen, kreiste sie in Spiralen über Land und Meer hinunter. Der Aufenthalt war durch eine Maschine im Binnenverkehr verursacht worden, die abgestürzt war und eine Hauptlandebahn blockierte. Die Passagiere konnten den über das Flugfeld ziehenden schwarzen Rauchfleck sehen, unpersönlich, fern von menschlichem Leben und Tod.
    Unter den Pan-Pac-Passagieren war ein schmächtiger, rotblonder Mann in einer unauffälligen cremefarbenen Tropenjacke, dessen richtiger Name Gordon R. Tindale war. Er reiste unter dem Namen Justin R. James; dieser Name stand in seinem gefälschten Paß. Seine Nervosität nahm zu, als die Boeing zur Landung ansetzte. Obwohl der Flugkapitän den Grund der Verzögerung über das Lautsprechersystem mitgeteilt hatte, glaubte Tindale, daß er persönlich stärker betroffen war.
    Die Kai Tak-Rollbahnen hoben sich ihnen entgegen, schimmerndes Grau. Sie stachen wie Finger in die See. Blau funkelte es hinter den Fenstern; erst im letzten Augenblick, als sie heruntersanken, tauchte unter dem Fahrwerk Land auf. Sie bremsten ab und kamen zum Stillstand, in der Ferne die schwarzbraunen Berge Chinas vor sich. Laute Stille. Ungedachtes im Gehirn.
    Die Maschine stand mehrere Minuten auf der sengend-heißen Landebahn, bis der Flughafenbus kam, die Gangway angebracht wurde und die Passagiere aussteigen durften.
    Als Tindale in die Sonne hinaustrat, suchte er das Flugfeld nach gedungenen Mördern ab.
    Ein uniformierter Angreifer mit einem starken, offenen Wagen bei hoher Geschwindigkeit, die Zähne zusammengebissen, ich schieße zurück, treffe die Schulter, eigentlich brauche ich eine Waffe und die Blondine, die unzuverlässige Blondine, bei mir trifft sich mit mir; ich im verzauberten Hongkong, ein schwarzes Mädchen, das im kühlen Hotelzimmer die Arme um mich legt, sie wankt verwundet die Gangway hinunter und ich bin getroffen; wir erreichen das Hotel lachend, sie legt ihre Arme um mich und schließt die Augen, ich brauche eine Verkleidung…
    Er lebte zunehmend in einer Phantasiewelt; die Angst vor dem Tod verzerrte jeden Gedanken.
    Wegen des Absturzes war die Abfertigung durcheinandergeraten. Die Passagiere, davon die Hälfte Geschäftsleute aus Hongkong, wurden zu einer provisorisch eingerichteten Zollstelle gefahren. Die Zollbeamten, bestrebt, alles durchzupeitschen, ließen die ganze Gruppe fast ohne Prüfung durch.
    Tindale atmete tiefer, um seinen Pulsschlag zu verlangsamen.
    Er hatte mitgeteilt bekommen, wo er seinen Kontaktmann in Hongkong treffen sollte, auf der anderen Seite des Wassers. Zerbrich dir bis dahin nicht den Kopf.
    Als der Bus sie zum Hauptausgang fuhr, konnten sie sehen, wie Wrackteile von der Hauptlandebahn gezogen wurden. Menschen waren gestorben.
    Am Ausgang nahm Tindale ein Taxi zur Fähre. Er mußte es sich mit einem Chinesen teilen, der mit im Flugzeug gewesen war.
    Sieht ganz harmlos aus, lächelt guten Tag, plötzlich sprang er mir an die Kehle, wir packten einander, ich stieß ihm die Knie zwischen die Beine, er stieß mit einem langen, tödlichen Messer zu, nein, er zog einen Revolver hervor noch immer lächelnd, wir verfolgen Sie schon seitdem Sie die Chemiefabrik verlassen haben, Unsinn völlig harmlos, kann ich Sie für ein wunderschönes Mädchen interessieren? Straßen voller Menschen vermehren sich wie die Fliegen…
    Tindale starrte auf die grellbunten Straßen von Kowloon, als sie vorbeiglitten; er fand, daß es aussah wie eine orientalische Ausgabe von Las Vegas, das er einmal, vor fünf Jahren, besucht hatte, als seine Ehe gescheitert war; bis heute hatte er die Staaten noch nie verlassen.
    An der Fähre wurde er zuversichtlicher. Es machte ihm keine Sorgen, daß er allein und ohne Führer war; das Gedränge der Menschen verlieh ihm das Gefühl, unbeobachtet zu sein. Jenseits der Bucht die Insel Hongkong, ein Massiv glitzernder Wolkenkratzer, Herausforderung an die Sonne. Amerikanisches Know-how.
    Als das Schwebekissenfahrzeug ihn über das mit Schiffen gesprenkelte Wasser trug, weitete sich das Panorama und begann ihn einzuschließen, bis er das ganze Bild in seinen
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