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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde
Autoren: Brian W. Aldiss
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Roboter näherkamen, hob er die Arme über den Kopf, einen dritten Zweig in den Händen.
    Die sechs Maschinen umzingelten ihn.
    Der Krötenroboter klickte, so, als müsse er entscheiden, was er tun solle.
    »Sagen Sie, wer Sie sind«, befahl er.
    »Ich bin ein Rosenbaum«, sagte der wilde Mann.
    »Rosenbäume tragen Rosen. Sie tragen keine Rosen. Sie sind kein Rosenbaum«, sagte die Stahlkröte. Ihre größte, höchste Waffe richtete sich auf den Brustkorb des wilden Mannes.
    »Meine Rosen sind schon tot«, sagte der wilde Mann, »aber ich habe noch Blätter. Frag den Gärtner, wenn du nicht weißt, was Blätter sind.«
    »Dieses Ding ist ein Ding mit Blättern«, sagte der Gärtner sofort mit tiefer Stimme.
    »Was Blätter sind, weiß ich. Ich brauche den Gärtner nicht zu fragen. Blätter sind das Laub von Bäumen und Pflanzen, die ihnen ihr grünes Aussehen verleihen«, sagte die Kröte.
    »Dieser Rosenbaum kann sprechen«, sagte ein anderer Roboter.
    »Rosenbäume können nicht sprechen«, sagte die Kröte sofort. Nachdem sie diese Weisheit von sich gegeben hatte, verstummte sie und bedachte vielleicht die Seltsamkeit des Lebens. Dann sagte sie langsam: »Demzufolge ist dieser Rosenbaum kein Rosenbaum, oder der Rosenbaum hat nicht gesprochen.«
    »Dieses Ding ist ein Ding mit Blättern«, begann der Gärtner erneut. »Aber es ist kein Rosenbaum. Rosenbäume haben Nebenblätter. Dieses Ding hat keine Nebenblätter. Es ist ein Kreuzdorn, bekannt auch als beerentragender Faulbaum.«
    Diese Sonderkenntnisse überstiegen das Vermögen einer Kröte. Angespanntes Schweigen breitete sich aus.
    »Ich bin ein Kreuzdorn«, sagte der wilde Mann, noch immer in der alten Haltung. »Ich kann nicht sprechen.«
    Daraufhin begannen die Maschinen alle gleichzeitig zu sprechen, drängten sich um ihn, damit sie ihn besser sehen konnten, und prallten dabei miteinander zusammen. Schließlich erhob sich die Stimme der Kröte über das Metallgeplapper.
    »Was dieses Ding mit Blättern auch sein mag, wir müssen es entwurzeln. Wir müssen es töten«, sagte sie.
    »Ihr dürft es nicht ausreißen. Das ist eine Aufgabe nur für Gärtner«, sagte der Gärtner. Er ließ seine Scheren rotieren, fuhr eine riesige Sense aus und griff die Kröte an.
    Gegen die Panzerung der Kröte waren seine primitiven Waffen wirkungslos. Sie schien jedoch zu begreifen, daß sie bei ihren Untersuchungen an einem toten Punkt angelangt war.
    »Wir ziehen uns zurück und fragen Charles Gunpat, was wir tun sollen«, sagte sie. »Kommt mit.«
    »Charles Gunpat ist in einer Besprechung«, erklärte der Spähroboter. »Charles Gunpat darf bei der Besprechung nicht gestört werden. Deshalb müssen wir auf Charles Gunpat warten«, sagte die Metallkröte unbeirrt. Sie führte die anderen vorbei an Smithiao; alle stiegen die Treppen hinauf und verschwanden im Haus.
    Smithiao konnte die Kaltblütigkeit des wilden Mannes nur bewundern. Es war ein Wunder, daß er noch lebte. Hätte er versucht, die Flucht zu ergreifen, wäre er auf der Stelle getötet worden; das war eine Situation, die zu bewältigen man den Robotern beigebracht hatte. Noch hätten seine mehrdeutigen Bemerkungen, so einfallsreich sie auch waren, ihn retten können, wenn er es mit einem einzigen Roboter zu tun gehabt hätte, denn ein Roboter ist ein zielstrebiges Wesen. Zu mehreren leiden sie jedoch an einem Problem, das in geringem Maße auch menschliche Zusammenkünfte heimsucht: an einer Neigung, auf Kosten des Themas der Versammlung ihre Logik vorzuführen.
    Logik! Das war der Haken. Sie war alles, woran Roboter sich ausrichten konnten. Der Mensch besaß Logik und Intelligenz, er kam besser durch als seine Roboter. Trotzdem verlor er den Kampf gegen die Natur. Und die Natur gebrauchte, wie die Roboter, nur Logik. Es war ein Paradox, wogegen der Mensch nicht aufkam.
    Als die Roboterreihe im Haus verschwunden war, lief der wilde Mann über den Rasen und stieg die erste Treppe hinauf, unterwegs zu dem regungslosen Mädchen. Smithiao huschte hinter eine Buche, um näher bei ihnen zu sein. Er kam sich vor wie ein Voyeur, wenn er sie ohne zwischengeschalteten Bildschirm beobachtete, konnte sich aber nicht losreißen. Der wilde Mann näherte sich jetzt Ployploy, mit langsamen Schritten, wie hypnotisiert.
    »Du warst einfallsreich«, sagte sie zu ihm. Ihr weißes Gesicht war an den Wangen jetzt leicht gerötet.
    »Ich wäre ein ganzes Jahr einfallsreich gewesen, um zu dir zu kommen«, sagte er. Nun, da ihn seine
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