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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition)
Autoren: Terézia Mora
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kann was. Einpaar Sprachen. Angeblich. Denn in der Praxis hört man kaum einen Satz von ihm. Das mag ein Symptom sein. Aber die Ursache ist es nicht.
    Er hat die gleichen Probleme wie jeder Emigrant: er braucht Papiere und er braucht Sprache, sagte zu einem früheren Zeitpunkt Professor Tibor B. zu seiner damaligen Lebensgefährtin Mercedes. Letzteres hat er so gelöst, dass er einfach perfekt geworden ist, und das gleich zehnmal, und zwar so, das glaubt man einfach nicht, dass er den Großteil seiner Kenntnisse im Sprachlabor erworben hat, so wie ich es sage: von Tonbändern. Es würde mich nicht wundern, wenn er nie mit einem einzigen lebenden Portugiesen oder Finnen gesprochen hätte. Deswegen ist alles, was er sagt, so, wie soll ich sagen, ohne Ort , so klar, wie man es noch nie gehört hat, kein Akzent, kein Dialekt, nichts – er spricht wie einer, der nirgends herkommt.
    Ein Glückspilz, sagte jemand namens Konstantin. Ich sage zu ihm: Du bist ein Glückspilz. Da schaut er mich an, als hätte er kein Wort verstanden. Dabei soll das doch, nicht wahr, seine Spezialität sein. Wobei ich persönlich denke, seine eigentliche Spezialität ist es, dass sich Menschen für ihn interessieren, und zwar ohne dass er auch nur das Geringste dafür tut. Man macht sich Gedanken über ihn und ärgert sich hinterher, weil sich herausstellt, dass er einem die ganze Zeit, während man auf ihn eingeredet hat, nur auf den Mund geschaut hat, als besäße allein die Art und Weise, wie man die Frikative bildet, Wichtigkeit für ihn. Der ganze Rest, die Welt, mit Mann und Maus, interessiert ihn nicht die Bohne. In der Welt leben und nicht in der Welt leben. So einer ist er.
    Immer etwas etepetete, so ein Rührmichnichtan, aber du täuschst mich nicht, dein Name verrät dich: Nema, der Stumme, verwandt mit dem slawischen Nemec, heute für: der Deutsche, früher für jeden nichtslawischer Zunge, für den Stummen also, oder anders ausgedrückt: den Barbaren. Abel, der Barbar, sagte eine Frau namens Kinga und lachte. Das bist du.
    Schlicht und ergreifend Trouble, sagte Tatjana. Das sieht man auf den ersten Blick, es sei denn, man ist blind, es sei denn, man ist Mercedes. Im Wesentlichen, sagt sie, sei es eine Scheinehe. Das sind ihre Worte: Im Wesentlichen. Eine Scheinehe. Womit er beide seiner Probleme gelöst hätte. Gratulieren wir. Und was sie anbelangt…
    Wie käme ich dazu, über andere zu urteilen. Es kann Gründe geben, diese sind oft von außen – Mercedes verzieht den Mund, das Gegenüber lächelt –, von außen , von wo aus sonst!, nicht zu sehen. Scheinbar verlieren sie einfach so den Verstand. Da ist dieser Mensch, Abel Nema, so ein hoffnungsvoller, junger, die erste freie Generation! , mit der Welt zu Füßen. Genieße es, für diesen kurzen Moment, den es dauert, denn wie schnell kann es vorbei sein. Kaum hat man sich einmal umgeschaut, bricht etwas auf und aus, sagen wir: ein Bürgerkrieg – Ich kann es immer noch nicht begreifen, praktisch vor unserer Haustür ! Was genau begreifst du nicht?–, und das war’s dann, sieh zu, dass du Land gewinnst. Vor zehn, nein, mittlerweile dreizehn Jahren musste A.N. seine Heimat verlassen, das war sicher nicht leicht, seitdem allerdings war alles eher normal. Was man so nennt. Ein Mensch mit bemerkenswerten Talenten, zehn Jahre, zehn Sprachen, gelernt und gelehrt, und auch als Privatperson von einiger Wirkung , schließlich und endlich sogar mit Ehefrau, Stiefkind, Staatsbürgerschaft. Hat seine Nische gefunden, seine ruhige Ecke am Rande der Party, und dann, vor etwas mehr als einem Jahr, einem Samstag, nein, es war schon Sonntag, erwähnte Party, stand er auf, ging hinaus und ist seitdem praktisch nicht mehr vorhanden . Hat sich zurückgezogen in diese skurrile bis lächerliche (alle Kursive: Mercedes) Wohnung mit diesem formidablen Blick zur Bahn und nichts als einer Matratze und einer Standleitung, und macht nichts , außer von überall auf der Welt skurrile bis lächerliche Geschichten für einen ominösen Agenten für skurrile bis lächerliche Wurstblätter zusammenzusuchen, sieben Tage die Woche. Was soll ich dazu noch sagen.

    Do-o-na no-o-bis. Irgendwann hast du genug in den Spiegel gestarrt. Du bist, was du bist. Auf Zehenspitzen, warum?, ans kleine Fenster. Dahinter ein grauer Innenhof, mit dem aufsteigenden, eigenen Geruch grauer Innenhöfe, darin parkende Autos, darüber Himmel. Etwas lauter: Do-o-na no-o-bis. Aber so richtig hört man nicht, woher es kommt. Als
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