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Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Titel: Alissa 1 - Die erste Wahrheit
Autoren: Dawn Cook
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würdest wirken können.«
    »Aber das kann ich doch nicht!«, protestierte sie heftig. »Ich kann überhaupt nichts von den Dingen, die die Bewahrer in Papas Geschichten können. Ich kann kein Feuer entzünden oder ohne Worte sprechen oder jemanden erstarren lassen. Ich kann nicht mal eine Katze daran hindern, mir zu entwischen.«
    Ihre Mutter lächelte mit einer Mischung aus Stolz und Kummer. »Du wirst es lernen«, sagte sie und fuhr sich über die Augen.
    »Magie gibt es doch nicht wirklich!«, schrie Alissa. »Das sind bloß Geschichten!«
    »Es gibt sie wirklich, Alissa. Ich habe es selbst gesehen.« Ihre Mutter schloss die Augen, in einer Erinnerung versunken. »Dein Papa hat einmal für mich den Wind angehalten.«
    »Warum hat er mir dann nie etwas gezeigt? Warum hat er nicht ein einziges Mal so etwas für mich getan?«
    Ihre Mutter machte eine hilflose Geste. »Er hat gesagt, wenn er das täte, könnte er damit deine schlummernde Gabe wecken. Es sei nicht seine Aufgabe, Magie zu lehren, und …« Sie zögerte. »Er wollte nicht, dass du bist wie er. Er wollte, dass du bist wie ich. Er war so sicher, dass du ganz nach mir kommen würdest, aber zugleich immer besorgt, es könnte anders sein.« Ihre Mutter biss sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. »Er hatte Angst«, sagte sie leise.
    »Wovor denn?« Alissa brüllte beinahe, denn sie fand es entsetzlich, dass dies hier tatsächlich geschehen sollte.
    »Er hatte Angst um dich. Oder vielleicht vor dem, was aus dir werden könnte«, flüsterte ihre Mutter. »Ich war nie ganz sicher.« Und mit einem beängstigend endgültigen Geräusch fiel die Haustür ins Schloss.

 
    – 2 –
     

    H ätte ich es doch bloß einfach gegessen, das verbrannte Brot !«, schrie Alissa, und ihre Stimme hallte von den Hügeln vor ihr wider. Erschöpft ließ sie sich am Rand der Felsklippe nieder. Ihr Hintern plumpste auf den Boden, und sie stieß den Atem aus. Kralle landete unter leichtem Blätterrascheln, und ihr Gezwitscher klang tadelnd.
    »Ach, halt den Schnabel«, sagte Alissa. »Ich gehe heute keinen Schritt mehr weiter.« Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete sie die tief stehende Sonne und wies auf das dicht bewaldete Tal unter ihnen. »Da unten ist es schon dunkel. Möchtest du wirklich da drin übernachten? Es wird schon nicht gleich morgen anfangen zu schneien.«
    Nein, dachte Alissa und beugte sich vor, um ihre wunderbaren neuen Stiefel aufzuschnüren. Morgen würde es nicht schneien, aber bald. Und wenn sie dann noch in den Bergen war, würde sie nicht mehr herauskommen.
    Aggressives Geschimpfe brach in den Kiefern hinter ihr aus, als ein Eichhörnchen Kralles Anwesenheit bemerkte. Gemeinsam drehten Alissa und ihr Vogel sich um und sahen es empört auf der Spitze eines Astes herumhüpfen. Kralle schwang sich in die Luft, und das Eichhörnchen floh unter erschrockenem Keckern. Alissa verzog das Gesicht und wandte sich ab, als das Knacken von Zweigen zu hören war. Dann ein schwaches Kreischen.
    »Kralle.« Sie rieb sich die Augen. »Lass das Eichhörnchen. Ich werde es nicht essen, und für dich ist es zu groß.«
    Asche, dachte sie elend. Ihre Füße fühlten sich an, als wollten sie gleich abfallen, ihr Nacken schmerzte, und ihr Rücken war von dem ständig reibenden Bündel wundgescheuert.
    Trockene Blätter flüsterten, als Kralle zurückkehrte und Alissa ein Büschel Eichhorn-Schwanzhaare in die Faust schob. »Sehr hübsch«, lobte sie ihren Vogel trocken und steckte die Trophäe in ihr Hutband. »Und jetzt such dir einen Grashüpfer.« Kralle schien vor Stolz die Brust zu schwellen, als ob Alissas Geste ihr bedeutet hätte, dass das Geschenk angenommen war.
    Gemeinsam blickten Alissa und Kralle von der Klippe hinab, während sanfte grüne Feuchtigkeit aus dem Tal aufstieg und Alissa das erhitzte Gesicht kühlte. Tief unten im Schatten der Hügel lag ein See, schwarz und still, noch nicht unter dem abendlichen Nebel verborgen. Das südliche Ende des lang gezogenen Gewässers sah aus, als könnte man dort am leichtesten übersetzen. Eine Richtung war so gut wie die andere, dachte sie, zog die Beine an und stützte das Kinn auf die Knie. Da sie ja ohnehin keine Ahnung hatte, wohin sie gehen sollte. Nach Westen, hatte ihre Mutter gesagt. Verbrannt und zu Asche zerfallen, was tat sie überhaupt hier draußen?
    Natürlich würde sie nach Westen gehen. Im Norden und Süden erstreckte sich das Hügelland, und warum sollte sie nach Osten ins Tiefland gehen? Da
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