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Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Titel: Alissa 1 - Die erste Wahrheit
Autoren: Dawn Cook
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Alissas Schultern gehängt, der Schlapphut schief auf ihren Kopf gesetzt. »Sonst wärst du nicht im Garten eingeschlafen. Dein Papa war genauso. Hier.« Ihre Mutter zögerte und musterte Alissa von oben bis unten. »Bei den Hunden des Navigators, beinahe hättest du vergessen, einen Becher einzupacken.«
    »Und wenn ich dir verspreche, nicht mehr draußen zu schlafen?«, rief Alissa, doch ihre Mutter war in der Küche verschwunden. Gleich darauf kam sie mit dem Becher zurück, den Alissas Papa für sie geschnitzt hatte, als sie drei Jahre alt gewesen war.
    »Nimm den«, murmelte ihre Mutter und löste ihr Haar, um mit dem Band den Becher an Alissas Bündel zu schnüren. »Ich würde dir ja einen metallenen mitgeben, aber dieser hier wird dir wenigstens nicht gestohlen, falls du unterwegs jemandem begegnest.« Der Blick ihrer Mutter schien plötzlich in die Ferne zu rücken, und ein besorgter Ausdruck breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
    »Mutter. Warte!«
    »Du meine Güte«, unterbrach ihre Mutter sie verzweifelt und mit geweiteten Augen. »Mit diesem Hut und dem Bündel siehst du haargenau aus wie dein Papa. Sogar deine Augen sind dunkler geworden, sie haben jetzt den gleichen Grauton wie seine.«
    Wie von selbst senkte sich Alissas Blick auf den Fußboden. »Sie sind blau«, behauptete sie missmutig, und obwohl sie wusste, dass das nicht stimmte, wünschte sie es sich inständig. Jeder, der hier im Vorgebirge zur Welt kam, hatte blaue Augen, helle Haut und blondes Haar. Es war leider nur allzu offensichtlich, dass Alissa kein anständiges Bauernmädchen war. Sie sah ihrer Mutter, die aus dem Tiefland stammte, zu ähnlich. Und obgleich Alissas Haar und Augen so hell waren wie die ihres Papas, hatte sie doch ihre Größe und die dunkle Haut von ihrer Mutter geerbt. Alissa sah weder ganz nach Tiefebene noch so recht nach Vorgebirge aus – nicht genug, um entweder hier oder dort als zugehörig akzeptiert zu werden; also wurde sie von den Bewohnern beider Landstriche gehasst.
    Mit sanftem, aber resolutem Griff hob ihre Mutter Alissas Kinn an, so dass sie ihr in die Augen sehen musste. »Sie sind nicht blau«, sagte sie liebevoll, »und du darfst dich deiner Herkunft nicht schämen. Du bist kein Halbblut. Du bist einfach – du. Du gehörst zum Tiefland und zu den Hügeln, Alissa, nicht zu keinem von beiden.«
    Alissa ließ den Blick wieder sinken. Das hatte sie schon oft gehört.
    »Und jetzt raus mit dir«, sagte ihre Mutter sanft, und Alissa stockte der Atem.
    »Es ist ein herrlicher, frischer Morgen, du solltest heute gut vorankommen«, fuhr sie fort, öffnete die Haustür und führte Alissa sacht hinaus. »Hier. Vergiss deinen Wanderstab nicht.« Der vertraute, glatte Holzstab wurde Alissa in die Hand gedrückt.
    »Mutter! Tu mir das nicht an!« Sie blickte zurück und sah ihre Mutter auf der Schwelle stehen; sie hatte die Arme um den Oberkörper geschlungen und wirkte klein und verloren.
    »Wende dich nach Westen«, sagte sie. »Diese Richtung hat dein Papa immer eingeschlagen. Er hat gesagt, du würdest die Feste von ganz allein finden, dein Instinkt würde dich hinführen, wie bei Gänsen, die gen Süden ziehen. Er hat gesagt, die Bewohner dort würden deine Ausbildung vollenden. Ich hoffe, ich habe dir mit deinem Bücherwissen keinen schlechten Dienst erwiesen. Dein Papa hat nie gesagt, dass man so etwas bräuchte.«
    Die Sonne schien auf Alissa herab, die in ihren neuen Stiefeln auf der festgestampften Erde vor dem Haus stand. Über die Weiden, noch feucht von Tau, drang schwach das nervöse Blöken der Schafe an ihr Ohr. Ihre Wachziege, genannt Zicke, ließ wie zur Warnung ihre Glocke bimmeln.
    »Leb wohl, mein Liebes«, sagte ihre Mutter und schloss Alissa plötzlich in die Arme; der leicht modrige Geruch von Kürbis stieg ihr in die Nase. »Denk daran, was ich dich gelehrt habe. Vor allem daran, dass du dein hitziges Temperament zügeln musst. Sonst wird es eines Tages dein Ende bedeuten.« Ihre Mutter trat zurück, und Alissa spürte Feuchtigkeit auf der Wange. »Es tut mir leid«, flüsterte ihre Mutter und atmete scharf ein. »Ich wollte dich nicht verlieren. Du warst alles, was mir von ihm geblieben ist.«
    »Mutter!«, rief sie und ergriff ihren Ärmel. »Schick mich nicht weg. Papa hat nicht an Magie geglaubt. Er hat gesagt, so etwas wie Magie gebe es gar nicht.«
    Ihre Mutter wich mit ruhiger Miene ein wenig zurück. »Natürlich hat er dir das erzählt. Er wusste ja nicht, ob – ob du je Magie
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