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Alicia

Alicia

Titel: Alicia
Autoren: Jude Deveraux
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Morag wunderte sich, wie so ein zarter Hals diese Fülle überhaupt zu tragen vermochte. Sie war nach englischer Mode gekleidet; doch der Satinstoff hatte die kremgelbe Farbe schottischer Hochlandrinder. Der viereckige Halsausschnitt saß straff über den Brüsten und brachte ihre sanften Rundungen vorteilhaft zur Geltung. Das Kleid lag bis zu den schlanken Hüften wie eine Haut auf ihrem Körper und bauschte sich dann mit reichem Faltenwurf. Ein aus Goldfäden gewirktes Muster umrahmte den Hals und betonte die Taille, ehe es, wie ein Wasserfall, bis zum Rocksaum hinunterfiel.
    »Gefalle ich dir so besser? « fragte Alicia schroff, noch gereizt von dem Streit, den sie wegen des Kleides miteinander hatten. Sie hätte Hochland-Kleidung bevorzugt; doch Morag hatte sie dazu überredet, ein englisches Gewand anzuziehen, um ihren Feinden keinen Anlaß zu geben, sie wegen ihrer »barbarischen Mode« zu verspotten.
    Morag ließ ein trockenes Kichern hören. »Schade, daß kein Mann Euch heute nacht aus diesem Gewand wickelt. «
    »Kein Engländer! « zischte Alicia. »Vergiß du das so rasch? Ist das Blut meines Vaters vor deinen Augen bereits verblaßt? «
    »Ihr wißt, daß es nicht so ist«, gab Morag ruhig zurück.
    Alicia ließ sich auf die Fensterbank fallen, während der Stoff schimmernd ihre Beine umschloß. Sie fuhr mit dem Finger über die reiche Goldstickerei. Das Kleid hatte sie viel Geld gekostet, das sie lieber für ihren Klan ausgegeben hätte. Doch sie wußte auch, daß ihr Klan sich nicht von Engländern beschämen lassen wollte, und deshalb hatte sie Kleider gekauft, auf die selbst eine Königin stolz sein konnte.
    Nun sollte dieses Gewand ihr Hochzeitskleid sein.
    Sie zupfte heftig an einem Goldfaden.
    »Nicht doch! « wies Morag sie zurecht, »verderbt nicht das Kleid aus Wut auf einen Engländer, der vielleicht nicht ohne Grund seinen Hochzeitstermin versäumte. «
    Alicia erhob sich so rasch, daß Rab wieder schützend an ihre Seite kam. »Was kümmert es mich, wenn er gar nicht kommt? Ich hoffe, er liegt mit durchschnittener Kehle in einem Graben und verrottet. «
    Morag zuckte mit den Achseln. »Dann suchen sie einen anderen für Euch aus. Was hilft es also, wenn dieser stirbt? Je früher Ihr Euren englischen Gatten bekommt, desto eher können wir ins Hochland zurückkehren. «
    »Du hast leicht reden! « fauchte Alicia. »Du mußt ihn ja nicht heiraten und… und… «
    In Morags dunklen Augen irrlichterte es: »Und mit ihm zu Bett gehen? Ist es das, was Euch stört? Ich möchte da gern mit Euch tauschen, wenn ich könnte. Glaubt Ihr, dieser Stephen Montgomery entdeckte den Unterschied, wenn ich zu ihm ins Bett schlüpfte? «
    »Was weiß ich von Stephen Montgomery, außer daß er mich hier in meinem Hochzeitskleid warten läßt und mich zum Gespött dieser Männer dort draußen macht? « Sie sah zur Tür. »Käme er jetzt ins Zimmer — wahrlich, ich würde ihn mit einem Messer empfangen! «
    Morag lächelte. Jamie MacArran hätte seine Freude an seiner Tochter gehabt. Auch in der Gefangenschaft bewahrte sie ihren Stolz und ihren Mut. Sie hielt das Kinn hoch, und ihre Augen waren zwei blitzende Dolche aus Bergkristall.
    Alicia war eine ungewöhnliche Schönheit. Ihre Haare waren so schwarz wie eine Neumondnacht in den schottischen Bergen, ihre Augen so dunkelblau wie ein Hochlandsee im Sonnenlicht. Dieser Kontrast war ungemein reizvoll, und oft waren die Leute, besonders die Männer, sprachlos, wenn sie Alicia zum erstenmal sahen. Ihre Wimpern waren schwarz und kräftig wie ihre Haare, ihre Haut zart und leicht getönt, und ihre Lippen dunkelrot über dem kräftigen Kinn, das an ihren Vater erinnerte mit seiner etwas kantigen Spitze und dem Grübchen darin.
    »Man könnte Euch für feige halten, weil Ihr Euch hier im Zimmer versteckt. Was gibt ein Schotte schon auf das Grinsen eines Engländers. «
    Alicia setzte sich sehr gerade auf und sah auf ihr Kleid hinunter. Sie hatte es nur angezogen, weil sie glaubte, heute vermählt zu werden. Für eine Trauung war es längst zu spät. Sie sollte es schonen für einen anderen Tag, an dem sie wirklich heiratete. Vielleicht auch einen anderen Mann. Sie lächelte bei diesem Gedanken.
    »Hilf mir aus diesem Kleid heraus«, sagte Alicia.
    »Was habt Ihr vor? « fragte Morag, während sie die Haken im Rücken löste. »Ihr habt einen Blick wie eine Katze, die einen Sahnetopf entdeckt hat. «
    »Du fragst zuviel. Bring mir das grüne Brokatkleid. Die Engländer
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