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Alice im Netz - das Internet vergisst nie!

Alice im Netz - das Internet vergisst nie!

Titel: Alice im Netz - das Internet vergisst nie!
Autoren: Antje Szillat
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endlich seinen eisigen Blick von ihr abgewandt hatte. „Ich habe dich die ganze Pause über gesucht.“
    Katja stöhnte leise auf. „Die Machert hat mich auf dem Weg zum Klo abgefangen und mit in die Bibliothek geschleppt“, flüsterte sie hinter vorgehaltener Hand.
    â€žIn die Bibliothek?“, entfuhr es Alice eine Spur zu laut.
    â€žFräulein Bandow, das ist ja wieder mal typisch“, empörte sich Dr. Sprenger auch prompt. „Erst kommst du zu spät zum Unterricht und dann störst du auch noch deine Mitschüler, indem du herumplapperst.“
    Alice ballte unter dem Tisch die Hände zu Fäusten. Es war eine Sache, von einem Lehrer nicht gemocht zu werden, weil man in seinem Fach ein kompletter Volltrottel war. Aber bei Alice war das absolut nicht der Fall. Sie war in Deutsch mit Abstand die Beste ihrer Klasse. Dennoch traktierte Dr. Sprenger sie, wann immer sich dafür Gelegenheit bot. Warum er sie so behandelte, war Alice ein Rätsel. Okay, wenn sie genauer darüber nachdachte, dann mochte es schon den ein oder anderen Grund für seine offensichtliche Abneigung ihr gegenüber geben. Vor allem ihr Schulblog, in dem der etwas schrullige Doktor der Germanistik nur allzu oft eine unfreiwillig lächerliche Rolle spielte. Natürlich hatte Alice noch nie seinen echten Namen in ihrem Blog erwähnt. Aber die Art und Weise, wie sie „Mister Ice“ beschrieb, sein graumeliertes, schütteres Haar, das er von hinten in die hohe Stirn gekämmt trug, und seine eisblauen, eng beieinanderstehenden Augen, aus denen er seine Schüler regelmäßig mit tödlichen Blicken bedachte, waren so eindeutig, dass kein Zweifel daran bestand, um welchen Lehrer es sich handelte.
    Alice’ Schulblog hatte sich im Laufe der letzten zwei Jahre zu einem viel besuchten öffentlichen Schultagebuch entwickelt, in dem über so ziemlich alles und jeden berichtet wurde. In spöttischem Ton und oft zum Schreien komisch gehalten, spiegelte es den Schulalltag am Geschwister-Scholl-Gymnasium in allen Facetten wider.
    Obwohl Alice nur unter dem Nicknamen „Rasende Rita“ als Autorin in Erscheinung trat, war vielen bekannt, dass sie die wortgewandte Bloggerin war.
    â€žWenn es etwas gibt, Fräulein Bandow, das du unbedingt und auf der Stelle deinen Mitschülern und mir mitteilen musst, bitteschön, wir sind alle ganz Ohr und hundertprozentig bei dir.“ Dr. Sprengers Stimme triefte vor Ironie, während Alice innerlich von zehn an rückwärts zählte, um nicht doch noch der Versuchung zu erliegen, ihm etwas Uncharmantes an den Kopf zu werfen.
    â€žNein? Sollten dir tatsächlich einmal die Worte fehlen?“ Er musterte sie spöttisch.
    Katja krallte unter dem Tisch ihre Finger in Alice’ Oberschenkel, um ihr zu verstehen zu geben: Lass dich nicht reizen und halt bloß deinen Mund!
    Alice schluckte. „Nein“, presste sie zwischen zusammengekniffenen Lippen hervor, „ich habe nichts zu sagen.“
    Sie war sich sicher, dass Dr. Sprenger noch einen weiteren ätzenden Kommentar für sie parat haben würde, doch er zuckte nur gleichgültig die Achseln und wandte sich dann Merle zu, die am Tisch direkt vor dem Pult saß.
    â€žMerle, bist du so freundlich und trägst uns bitte dein Referat über Friedrich Dürrenmatt vor?“
    â€žJa, gerne“, rief Merle und nickte dabei vor Begeisterung mit dem ganzen Oberkörper. Sie schlug ihr Heft auf und begann mit vor Aufregung zittriger Stimme zu lesen. „Friedrich Dürrenmatt wurde am 5. Januar 1921 in Konolfingen, einem Schweizer Dorf im Kanton Bern, geboren. Sein Vater war der protestantische Pfarrer des Dorfes. Drei Jahre später kam seine Schwester Vroni zur Welt. 1935 zog die Familie, vermutlich aus finanziellen Gründen, nach Bern um. Die Weltwirtschaftskrise machte sich zu diesem Zeitpunkt auch in der Schweiz bemerkbar, und das mittelständische Bürgertum wurde ärmer. Friedrich Dürrenmatt besuchte zunächst das Berner Freie Gymnasium, dann das Humboldtianum, wo er 1941 die Matura, also das Abitur ablegte. Er war kein besonders guter Schüler und bezeichnete seine Schulzeit selbst als die übelste seines Lebens. Die Schule wechselte er, weil ihm der Unterricht nicht gefiel, er schlechte Noten hatte und durch sein Verhalten bei den Lehrern aneckte …“
    Alice ließ Merles Worte an sich vorbeiziehen, ohne wirklich
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