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Alex Rider 08: Crocodile Tears

Alex Rider 08: Crocodile Tears

Titel: Alex Rider 08: Crocodile Tears
Autoren: Anthony Horowitz
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gespendet.

Spiegelbilder
    A lex Rider warf einen letzten Blick in den Spiegel, stutzte und sah noch einmal hin. Seltsam, aber er war sich nicht sicher, ob er den Jungen kannte, der seinen Blick erwiderte. Der Junge hatte dieselben schmalen Lippen, dieselbe markante Nase, dasselbe ausgeprägte Kinn und dieselben blonden Haare, die ihm über die dunkelbraunen Augen fielen. Alex hob eine Hand und sein Spiegelbild tat gehorsam dasselbe. Trotzdem stimmte etwas an diesem zweiten Alex Rider nicht mit ihm überein.
    Natürlich trug er ein anderes Outfit als sonst. In wenigen Minuten wollte er zu einer Silvesterparty aufbrechen, die in einer Burg am Ufer von Loch Arkaig im schottischen Hochland steigen sollte. Kleidung: Smoking hatte ausdrücklich auf der Einladung gestanden. Widerstrebend hatte Alex sich auf den Weg in die nächste Stadt gemacht und einen vornehmen Anzug gemietet: Jackett, schwarze Hose und weißes Hemd mit einem Stehkragen, der zu eng war und am Hals scheuerte. Nur die auf Hochglanz polierten Schnürschuhe, die laut dem Verkäufer unbedingt dazugehörten, hatte er nicht angezogen. Schwarze Turnschuhe mussten genügen.
    Wem sah er in diesen Klamotten ähnlich?, überlegte er, während er die Fliege zum zehnten Mal gerade rückte. Einem jungen James Bond. Ein dummer Vergleich, aber er drängte sich auf.
    Doch es lag nicht nur an den Kleidern. Forschend musterte Alex sich im Spiegel. Im vergangenen Jahr war viel passiert. So viel, dass er manchmal gar nicht mehr richtig wusste, wer er war. Es kam ihm so vor, als sei er gerade aus dem Karussell ausgestiegen, in das sich sein Leben verwandelt hatte. Er selbst drehte sich nicht mehr, aber dafür drehte sich die Welt um ihn.
    Erst vor zwei Monaten war er in Australien gewesen. Nicht auf Urlaub oder Verwandtschaftsbesuch, sondern – so unglaublich es klang – als Mitarbeiter des australischen Geheimdienstes. Verkleidet als afghanischer Flüchtling hatte er in die Verbrecherorganisation Snakehead eindringen sollen, die im großen Stil Menschenschmuggel betrieb, doch dann war auf einmal noch viel mehr im Spiel gewesen. Alex hatte mit Major Winston Yu zu tun gehabt und mit der schrecklichen Bedrohung durch eine Bombenexplosion in der Erdkruste. Dabei war er auch seinem Paten begegnet, einem Mann, den er nur als Ash kannte. Alex sah, dass bei dem Gedanken an Ash ein Funkeln in seine Augen getreten war. War es Wut? Trauer? Er hatte seine Eltern nie kennengelernt und gehofft, Ash könnte ihn über seine Vergangenheit aufklären. Doch sein Pate hatte nichts dergleichen getan. Stattdessen hatte ihre Begegnung Verrat und Tod zur Folge gehabt.
    Und hier lag der Hund begraben. Das wollte der Junge im Spiegel ihm sagen. Er war erst vierzehn Jahre alt, aber das vergangene Jahr – dessen Ende sie nachher feiern würden – wäre fast sein letztes gewesen. Wenn er die Augen schloss, spürte er wieder Major Yus Spazierstock, der ihn seitlich am Kopf getroffen hatte, das erdrückende Gewicht des Wassers der Bora-Fälle und die Bestrafung, die er im Boxring in Bangkok über sich hatte ergehen lassen müssen. Und das waren nur die letzten seiner vielen schlimmen Erlebnisse. Wie oft war er schon getreten und zusammengeschlagen worden? Und angeschossen. Die Wunden waren verheilt, aber er wurde beim Ausziehen jedes Mal an sie erinnert. Die Narbe der Kugel, mit der ein Scharfschütze ihn von einem Dach aus in die Brust getroffen hatte, würde ihn immer begleiten. So wie die Erinnerung an die erlittenen Schmerzen – die vergaß man angeblich auch nie.
    Hatte ihn das alles verändert? Natürlich. Niemand war nach solchen Erlebnissen noch derselbe. Und trotzde m …
    »Alex! Hör auf, dich im Spiegel zu bewundern, und komm runter!«
    Das war Sabina. Alex drehte sich um. Sabina stand in der Tür und trug ein silbernes Kleid, an dessen Halsausschnitt kleine Steine glitzerten. Die schwarzen Haare, die sie hatte lang wachsen lassen, waren zurückgebunden. Dazu trug sie Make-up, was untypisch für sie war – hellblauen Lidschatten und pink schimmernden Lippenstift.
    »Dad wartet. Wir wollen los.«
    »Ich komme schon.«
    Alex rückte die Fliege noch mal zurecht. Wie konnte er eigentlich verhindern, dass sich das blöde Ding ständig verschob? Er sah albern aus. Niemand unter fünfzig sollte einen Smoking anziehen müssen. Wenigstens hatte er Sabinas Vorschlag abwehren können, im Schottenrock zur Party zu gehen. Sabina hatte ihn seit Weihnachten damit aufgezogen.
    Trotzdem hatte Alex Rider
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