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Albert Schweitzer

Albert Schweitzer

Titel: Albert Schweitzer
Autoren: Peter Muenster
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unauflöslich mit seinem Namen durch das Albert-Schweitzer-Archiv und -Museum verbunden.
    Der kleine Albert war ein schwächlicher, untergewichtiger Säugling. Einmal wurde er wegen seiner gelblichen Hautfarbe gar für tot gehalten; Nachbarn tuschelten hinter vorgehaltener Hand, die erste Beerdigung, die der neue Pfarrer in Günsbach durchzuführen hätte, wäre wohl die des kleinen Albert. „Aber die Milch der Kuh des Nachbars Leopold und die gute Luft Günsbachs taten Wunder an mir. Vom zweiten Jahre an gesundete ich und wurde ein kräftiger Knabe.“ Gelobt seien Leopolds Kuh und Günsbachs gute Luft sowie die Fürsorge der Eltern, die dem schwächlichen Kind eine außergewöhnlich robuste Gesundheit und geradezu biblische Lebensdauer bescherten.

    Links: Albert Schweitzers Geburtshaus im elsässischen Kaysersberg
    Rechts: Die Familie Schweitzer, 1888. Stehend (von links nach rechts): Louise, Albert, Adele. Sitzend: Marguerite, Mutter Adele, Paul und Vater Louis
    Günsbach war auch im Hinblick auf die geistige Entwicklung des Jungen von nicht geringer Bedeutung. Schon früh lernte Albert kennen, was man heute ökumenischen Geist nennen würde. Die Günsbacher Kirche war eine sogenannte Simultankirche, womit gemeint ist, dass sich die evangelische und katholische Ortsgemeinde dieses Gotteshaus teilten. Zudem war Vater Schweitzer ein weltoffener, liberaler Theologe, dem es keine Schwierigkeiten bereitete, sich mit dem katholischen Amtsbruder zu arrangieren, und der stets ein über die konfessionellen Grenzen hinaus für jedermann offenes Pfarrhaus leitete. Es scheint, als seien liberal-theologisches Denken und Offenheit für die Mitmenschen dem kleinen Albert schon von der Familie her mit auf den Weg gegeben. Vater Ludwig war übrigens in Günsbach fünfzig Jahre als geschätzter Seelsorger in seiner Gemeinde tätig.

    Wir sind über Albert Schweitzers Kindheit und Jugend recht gut aus erster Quelle unterrichtet. Als 49-Jähriger (1924) veröffentlichte er seine Erinnerungen an seine frühen Jahre.
    Nun gibt es kritische Geister, die davor warnen, die Aufzeichnungen eines reifen Mannes über seine eigene Kindheit und Jugend allzu ernst zu nehmen, denn der zeitliche Abstand und die Tücken des menschlichen Erinnerungsvermögens könnten zu einer verzerrenden oder sentimental verklärten Rückschau führen. Schweitzer freilich verfügte bis ins hohe Alter über ein ausgezeichnetes Gedächtnis, wie viele seiner Weggefährten und Bekannten einhellig bekundeten. So ist davon auszugehen, dass auch seine Kindheits- und Jugenderinnerungen einen sehr hohen Grad an Authentizität aufweisen.
    Sie umfassen im Wesentlichen seine Lebensspanne als Schüler, und die Anschaulichkeit, mit der er die ihm wichtigen und bleibenden Szenen aus dieser Zeit geschildert hat, ist beeindruckend. Zudem macht sie die sprachliche Schönheit auch heute noch zu einem wahrenLesevergnügen. Schweitzer war ein Meister darin, einfach und tief zugleich zu erzählen.
    Wenn ich im Folgenden etwas ausführlicher auf die Kindheits- und Jugenderinnerungen Schweitzers eingehe, so hat das seinen Grund darin, dass in ihnen schon keimhaft angelegt ist, was sich später insbesondere in seiner Ehrfurchtsethik entfaltet hat. Wir wissen aus der Psychoanalyse, wie prägend kindliche Erlebnisse für unser ganzes Leben sein können. So verwundert es auch nicht, dass es ein Psychoanalytiker war, der den Anstoß gab zu diesem viel gelesenen Erinnerungsbuch Schweitzers. Schweitzer befand sich in den Vorbereitungen zu seinem zweiten Lambarene-Aufenthalt (1924–1927), als er während einer Reise durch die Schweiz einen zweistündigen Aufenthalt nutzte, um seinen Freund Oskar Pfister zu besuchen. Pfister war Psychoanalytiker und Pfarrer in Zürich. Während dieser Verschnaufpause forderte der Freund den Besucher auf, ihm aus seiner Kindheit und Jugend zu erzählen, um es später für eine Jugendzeitschrift zu verwerten. „Später ließ er mir dann das, was er in jenen zwei Stunden nachstenografiert hatte, zukommen. Ich bat ihn, es nicht zu veröffentlichen, sondern es mir zur Vervollständigung zu überlassen. Kurz vor meiner Abfahrt nach Afrika, an einem Sonntagnachmittage, als Regen und Schnee durcheinander gingen, schrieb ich als Schlusswort zum Erzählten Gedanken nieder, die mich im Rückblick auf meine Jugend bewegten.“
    Am 27. September 1922 schrieb Schweitzer während einer Eisenbahnfahrt einen Brief an Oskar Pfister, in dem er dem Züricher Freund die
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