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Albert Schweitzer

Albert Schweitzer

Titel: Albert Schweitzer
Autoren: Peter Muenster
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nach Betätigung. Gerade das aber war Schweitzer wohl nicht, trotz der Vielfalt von Aufgaben, die er sich Tag für Tag aufbürdete und oft bis zur Erschöpfung zumutete.
    Bei aller Arbeitsbelastung, bei aller Müdigkeit, über die er in seinen Briefen so oft klagte, schien er den Menschen, die mit ihm zu tun hatten, doch immer von einer tiefen inneren Ruhe getragen zu sein, die er aus seinem Glauben schöpfte.
    Liest man die Erlebnisberichte der Zeitgenossen, die ihn als Mitarbeiter, als Freunde, als Journalisten, Schriftsteller, Kollegen näher kannten, so stößt man immer wieder auf diesen Wesenszug Schweitzers: sich in aller Betriebsamkeit, in der übergroßen Fülle der Aufgaben in Ruhe sammeln zu können. So schrieb der elsässische Publizist Gerard Schufenecker 1965 in einer Lambarene-Impression zum neunzigsten Geburtstag Albert Schweitzers:„Alles tut der Urwalddoktor ohne Hast nach einem genau festgesetzten Stundenplan. Für ihn ist Geduld eine Haupttugend. ‚Nur nicht so eilig, meine Herren!‘ Es war am Morgen seines Geburtstages und die Fotografen hätten sich beinahe gebalgt. ‚Wir haben Zeit, nehmen Sie sich Zeit, Ihre Apparate einzustellen.‘ Das Spital und nur das Spital ist heute seine einzige Sorge.“
    Darin liegt gewiss eines der Geheimnisse der Persönlichkeit Albert Schweitzers: die Dinge in Ruhe angehen zu können, sich ganz auf eine Sache zu konzentrieren, keine Hektik aufkommen und walten zu lassen. Nur so ist wohl die bewundernswerte Effizienz zu erklären, mit der er seine nun wahrlich vielfältigen Aufgaben zu bewältigen wusste.
    Fragt man neben der ungewöhnlichen Vielfalt seiner Talente nach den charakterlichen Merkmalen dieses außergewöhnlichen Mannes, so ist auch hier das Urteil derer, die ihn gekannt haben, von großer Übereinstimmung. Dass er geduldig war, hörten wir schon. Nun soll dies aber nicht bedeuten, dass er nicht auch aufbrausend, impulsiv sein konnte, etwa wenn es darum ging, seine farbigen Mitmenschen zu notwendigen Arbeiten im Spitaldorf anzutreiben. Sein Temperament konnte wohl auch dazu führen, dass er – äußerst vereinzelt – auch einmal Ohrfeigen austeilte. Doch selbst solche emotionalen Ausbrüche und gelegentliche Schimpfwörter können nicht darüber hinwegtäuschen, mit wie viel Geduld undNachsicht Schweitzer mit seinen Mitmenschen umzugehen pflegte. Und die gelegentlichen emotionalen Eruptionen können erst recht nicht überdecken, was wohl Schweitzers grundlegendster Wesenszug gewesen ist: seine grenzenlose Menschen- und Schöpfungsliebe, sein tiefes Mitgefühl und Mitleid, das er den Menschen und Tieren entgegenbrachte, sein hohes Maß an Empathie im Umgang mit seinen Mitmenschen, seine tiefe Achtung vor allem Lebendigen – ein Wesenszug, der sich bis in seine Kindheit hinein zurückverfolgen lässt.
    Schweitzer wollte sich nicht in den Vordergrund drängen, und doch war er eine „Führungspersönlichkeit“; er strahlte das aus, was man als natürliche Autorität bezeichnet. Schon aus seinen jungen Jahren wissen wir, dass er ohne sein Zutun, zum Beispiel im Kreise von Studenten, in Freundes- und Bekanntenkreisen rasch im Mittelpunkt stand. Elly Knapp-Heuss, die spätere Gattin des ersten deutschen Bundespräsidenten und eng befreundet mit Helene Bresslau, der Ehefrau Schweitzers, berichtet davon, dass der junge Albert Schweitzer stets durch sein Auftreten, seine Wesensart, seine damals schon umfassende Bildung rasch die Aufmerksamkeit und Achtung aller auf sich lenkte. Er vermochte Menschen mitzureißen, zu begeistern.
    Selbst wenn er im Freundeskreis in heftigen Disputen nicht geschont wurde oder wenn man seinen Entschluss von 1905, als Arzt nach Äquatorialafrika zu gehen, entschiedentadelte, so galt doch immer: „Der Bedeutendste, das war uns immer klar, war Albert Schweitzer, der Theologe, Philosoph, Bachbiograf und Orgelspieler.“
    Schon früh wurde Schweitzer auch mit ganz konkreten Führungsaufgaben betraut: Noch als Vikar oblag ihm die verantwortungsvolle Funktion des Direktors des Thomasstifts in Straßburg, einer Ausbildungsstätte für angehende Pastoren. Und der energische Aufbau und vor allem spätere Ausbau seines Urwaldspitals wäre ohne seine liebevolle Dominanz überhaupt nicht denkbar gewesen.
    Es ist nur scheinbar ein Widerspruch, wenn ich als Nächstes eine Eigenschaft Schweitzers zur Sprache bringe, die so gar nicht zu seiner Autorität zu passen scheint: Er war ein zurückhaltender, ja, in gewissem Sinne schüchterner
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