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Alarm in Sköldgatan

Alarm in Sköldgatan

Titel: Alarm in Sköldgatan
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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aufmerksamen Sohn angeben. Man muß die Feste feiern, wie sie fallen.«
    Martin Beck sah schweigend zu, wie sie am elektrischen Kocher hantierte und Wasser und Kaffee zurechtstellte. Sie wirkte zierlich und zerbrechlich und schien jedesmal, wenn er sie besuchte, kleiner geworden zu sein.
    »Hast du's gut hier, Mama?«
    »Mir geht's immer gut!«
    Die Antwort kam ohne Zögern und zu glatt, als daß er ihr hätte glauben können. Sie stellte die Kaffeekanne auf den Untersatz und die Blumenvase auf den Tisch und setzte sich hin.
    »Du brauchst dir meinetwegen keine Sorgen zu machen«, beteuerte sie. »Ich hab hier genug zu tun. Ich lese und unterhalte mich mit den anderen Frauen und stricke. Manchmal fahre ich in die Stadt und seh mich um, aber da sieht ja alles jetzt so häßlich aus. Überall werden Häuser abgerissen. Hast du gesehen, daß das Haus, in dem Vater seine Firma hatte, auch abgerissen worden ist?«
    Martin Beck nickte. Sein Vater hatte ein kleines Fuhrgeschäft im Stadtteil Klara gehabt, und an dieser Stelle erhob sich jetzt ein Bürohaus aus Beton und Glas. Er sah sich die Fotografie des Vaters an, die auf der Kommode am Bett stand. Das Bild stammte aus den zwanziger Jahren, als er selbst noch ein Stöpsel und der Vater noch ein junger Mann mit klarem Blick, glänzendem, zur Seite gekämmtem Haar und trotzigem Gesichtsausdruck gewesen war. Verwandte behaupteten, daß Martin Beck seinem Vater ähnlich sähe. Er selbst hatte nie größere Ähnlichkeiten entdecken können, und wenn es welche gab, dann waren sie höchstens äußerlich. Er erinnerte sich, daß sein Vater ein sorgloser, aufrichtiger Mensch gewesen war, der überall beliebt und immer zu Scherzen aufgelegt war. Sich selbst würde er eher als einen schüchternen und ziemlich langweiligen Menschen bezeichnen. Zu der Zeit, als das Foto aufgenommen wurde, war sein Vater Bauarbeiter gewesen, einige Jahre später war die Wirtschaftskrise gekommen, und er war zwei Jahr lang arbeitslos gewesen. Martin Beck dachte daran, daß seine Mutter diese Jahre der Armut und Existenzangst eigentlich nie richtig überwunden hatte. Obwohl es ihnen später ausgesprochen gut gegangen war, hatte sie nie aufgehört, sich Sorgen um das Finanzielle zu machen. Sie konnte es immer noch nicht über sich bringen, ein neues Stück zu kaufen, wenn das alte noch nicht völlig unbrauchbar geworden war. Sowohl ihre Kleidung wie auch die wenigen Möbel, die sie aus der letzten Wohnung mitgebracht hatte, waren verschlissen und abgenutzt.
    Martin Beck hatte des öfteren versucht, ihr Geld zu geben oder wenigstens die Heimkosten zu übernehmen, aber sie war stolz und hartnäckig und wollte sich nicht helfen lassen.
    Als der Kaffee fertig war, holte er die Kanne und ließ seine Mutter eingießen. Es hatte ihr immer Spaß gemacht, ihren Sohn zu bedienen; schon als Junge hatte er nie beim Abwaschen helfen und nicht einmal sein Bett machen müssen. Als er dann aus der elterlichen Wohnung ausgezogen war, hatte er bemerkt, wie ungeschickt er sich bei den einfachsten Haushaltsarbeiten anstellte, und ihm war klargeworden, wie falsch diese Art von Fürsorglichkeit gewesen war. Schweigend tranken sie die ersten Schlucke. Sie stellte die Tasse zurück, faltete die mageren braunfleckigen Hände und lehnte sich zurück.
    »Na, erzähl mal, was machen meine Enkelkinder?«
    Martin Beck hatte sich angewöhnt, nur Positives von seinen Kindern zu berichten, da sie der festen Ansicht war, daß ihre Enkel klüger, tüchtiger und hübscher seien als alle anderen Kinder. Sie beschwerte sich manchmal darüber, daß er ihre guten Seiten nicht sähe, und hatte ihn sogar beschuldigt, ein schlechter und böswilliger Vater zu sein. Er selbst bildete sich ein, die Kinder objektiv beurteilen zu können, und hielt sie nicht für besser oder schlechter als andere Kinder. Den besten Kontakt hatte er zu der sechzehnjährigen Ingrid, die aufgeweckt und intelligent war und sowohl in der Schule als auch beim Umgang mit ihren Freundinnen und Freunden keinerlei Schwierigkeiten hatte. Mit Rolf, der demnächst dreizehn wurde, hatte er es weniger leicht. Rolf war verschlossen und faul, völlig uninteressiert an allem, was die Schule betraf, und schien auch im übrigen keine besonderen Begabungen oder Neigungen zu haben. Diese Trägheit des Jungen war eine ständige Sorge für Martin Beck, und seine einzige Hoffnung war, daß er in ein bis zwei Jahren seine Gleichgültigkeit überwinden würde. Da er im Augenblick nichts
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