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Al Wheeler und die tote Lady

Al Wheeler und die tote Lady

Titel: Al Wheeler und die tote Lady
Autoren: Carter Brown
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höfliches Lächeln auf dem Gesicht, hätte der grünäugige Rotkopf eigentlich
ein Gespenst sein müssen. Mein schwirrender Kopf beruhigte sich ein bißchen,
als ich die kleinen, aber maßgeblichen Unterschiede bemerkte. Die Frisur war
kunstvoller und die Nase entschieden nicht so stumpf — auch wenn sich ihre
Unterlippe auf dieselbe sinnliche Weise vorschob. Ihr helles schillerndes
Seiden-Lurex-Kleid war in der Taille mit einem Gürtel zusammengehalten. Das
Lächeln auf ihrem Gesicht verschwand, als ich mich vorstellte, und sie runzelte
statt dessen bestürzt die Stirn.
    »Was, zum Kuckuck, hat Dane
jetzt angestellt?« fragte sie barsch. »Hat er vergessen, einen Parkstrafzettel
zu bezahlen, oder was sonst?«
    »Die Sache liegt ein bißchen
komplizierter, Mrs. Tenison«, sagte ich, was in keiner Weise übertrieben war.
»Können wir darüber sprechen?«
    »Natürlich. Bitte, kommen Sie
herein.«
    Ich folgte ihr durch eine
geräumige Diele in das ebenso geräumige und elegant möblierte Wohnzimmer. Sie
setzte sich auf die Couch, und ich ließ mich ihr gegenüber in einem Sessel
nieder.
    »Ich erwarte Dane entweder heute abend oder morgen früh zurück«, sagte sie. »Wollen
Sie mir nicht erzählen, um was es sich handelt, Lieutenant?«
    »Haben Sie eine Schwester, Mrs.
Tenison?«
    »Louise.« Sie sah verwirrt
drein, und ich wußte, was in ihr vorging. »Louise Fowler.«
    »Wissen Sie, wo sie sich im
Augenblick aufhält?«
    »Soviel ich weiß, wohnt sie
nach wie vor mit einer Freundin zusammen in einer Wohnung am anderen Ende der
Stadt.« Ihre Stimme klang kalt. »Ich habe Louise während der letzten Monate
nicht mehr gesehen, weil wir nicht besonders gut miteinander stehen. Aber ich
dachte, Sie wollten meinen Mann sprechen?«
    »Darf ich Ihr Telefon
benutzen?« fragte ich.
    »Wenn es dazu beiträgt, die
Sache etwas weniger geheimnisvoll zu machen«, sagte sie schroff.
    Ich ging zu dem kleinen Tisch
an der anderen Seite des Zimmers, nahm den Hörer ab und wählte die Nummer des
County-Krankenhauses. Es dauerte ungefähr zwanzig Sekunden, bis ich Dr. Murphy
an der Strippe hatte und seine Stimme klang müde.
    »Wheeler hier«, sagte ich.
»Sind Sie mit Ihrer Untersuchung fertig?«
    »Wenn Sie damit die Autopsie
meinen, so bin ich schon vor einer Stunde damit fertig geworden.«
    »Und was ist dabei
herausgekommen?« fragte ich vorsichtig, da der Rotkopf jedes Wort mit anhören
konnte.
    »In der linken Herzkammer
befand sich kein Wasser, sie muß also tot gewesen sein, bevor sie ins Meer
fiel. Das Geschoß sieht nach Kaliber achtunddreißig aus, und ich habe es zu den
Ballistikern hinübergeschickt. Am Körper waren keine Quetschungen, was bei
Leichen, die im Wasser gelegen haben, selten ist. Wie ich schon heute vormittag sagte, sie kann nicht sehr lange im Wasser
getrieben haben.«
    »Und die — fragliche
Todeszeit?«
    »Schwer zu sagen, Al. Ich
möchte mich nicht genauer ausdrücken als zwischen zwölf und vierundzwanzig
Stunden vor dem Zeitpunkt, an dem wir sie heute am Strand fanden.«
    »Wo ist Ihr Patient jetzt?«
    »Wenn Sie die Leiche meinen«,
knurrte er, »die liegt in der Leichenhalle. Wo, zum Teufel, hätte ich sie sonst
hinschicken sollen?«
     
    Als der Wärter der Leichenhalle
sie wieder an die frische Luft brachte, hatte die elfenbeinfarbene Haut etwas
Gespanntes und Brüchiges, und ihre grünen Augen hatten etwas Leeres.
    »Es ist Louise«, sagte sie
leise.
    »Es tut mir leid«, sagte ich.
Die konventionellen Worte klangen wie immer aufs groteskeste unzulänglich.
    »Wir sind nie recht miteinander
ausgekommen, aber — sie so daliegen zu sehen...« Sie brach lautlos in Tränen
aus.
    »Sie brauchen etwas zu
trinken.« Ich nahm ihren Arm und führte sie zu dem wartenden Healey.
     
    Die Nische bildete in der
diskret verdunkelten Atmosphäre der luxuriösen Bar eine wahre Oase. Mrs.
Tenison lehnte eine Zigarette ab und blieb bewegungslos sitzen. Ihr Gesicht,
für mich fast nur als Silhouette erkennbar, sah wie eine anmutige Skulptur aus.
Nachdem der Kellner die Drinks gebracht hatte, wandte sie mir langsam den Kopf
zu. »Wer hat sie umgebracht, Lieutenant?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich
wahrheitsgemäß. »Ihre Leiche wurde heute früh am Paradise Beach angeschwemmt.«
    »Arme Louise!« Sie biß sich auf
die Unterlippe. »Vor drei Monaten hatten wir diesen schrecklichen Streit, und
seither haben wir nicht mehr miteinander gesprochen.«
    »Sie sagten, sie hat mit einer
Freundin zusammen gewohnt?«
    »Sie
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