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Aina - Herzorgasmus

Aina - Herzorgasmus

Titel: Aina - Herzorgasmus
Autoren: Nina Nell
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Schaukel von damals hing immer noch an dem dicken Ast, der sich fast bis über das Dach erstreckte. Aina war gern hier. Sie fühlte sich so unbeschwert, wenn sie durch diesen Garten ging, auch wenn er jetzt schneebedeckt war und man all die bunten Blumen nicht sehen konnte. Es hatte etwas Beruhigendes hier zu sein. Die kleinen Steine, die ihr Vater auf den Gehweg gestreut hatte, knirschten unter ihren Stiefeln, als sie auf die Haustür zuging. Sie mochte dieses Geräusch, denn auch das erinnerte sie an ihre Kindheit.
    »Da bist du ja!« Ihr Vater hatte die Tür aufgerissen und winkte sie nun hinein. »Sie haben schon die ganzen Croissantsaufgegessen«, beschwerte er sich. »Gute Taten machen wohl hungrig«, sagte er dann, lachte und nahm seine Tochter erst einmal in den Arm, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.
    »Papa«, flüsterte sie und pellte sich langsam aus ihrem Mantel, »können wir kurz reden?«
    Er sah sie überrascht an. »Ist was passiert?«
    Sie nickte, holte tief Luft und sah ihn mit einem leidenden Gesichtsausdruck an. »Es wird schlimmer.«
    In seinem Gesicht sah sie die liebevolle Fürsorge, die ihr immer ein Gefühl von Geborgenheit gegeben hatte und die sie auch heute fühlen ließ, dass er immer für sie da war. Egal, wie verrückt ihre Probleme auch waren. Doch bevor er etwas sagen konnte, kam eine Frau aus dem Wohnzimmer und begrüßte Aina überschwänglich. Im nächsten Moment kamen auch schon die anderen in den Flur und reichten ihr die Hände. Aina schüttelte sie freundlich lächelnd und ihr Vater dirigierte kurz darauf alle wieder ins Wohnzimmer, wo weitaus mehr Platz war, um eine Stehparty abzuhalten. Sie waren gekommen, um Aina für ihre Unterstützung zu danken. Sie hatte dieses Jahr viel in die Wege geleitet, um dieses Frauenhaus aus dem Boden zu stampfen, Personal zu finden und Gelder zur Finanzierung aufzutreiben. Und das alles nur, weil sie Wind von dieser Idee bekommen hatte, die einige Frauen, die sich zusammengetan hatten, verwirklichen wollten. Aus dieser Idee war ein Zentrum für misshandelte Frauen geworden, wo ihnen geholfen wurde und sie seelisch und praktisch unterstützt wurden, um mit ihrer Situation umzugehen.
    Während sie dastanden und sich unterhielten, erinnerte sich Aina an die Frau von letzter Nacht. Oder die Frau aus ihrem Traum. Ihr war klar, dass es einen Grund geben musste, warum sich in diesem Traum ihr Verstand so völlig ausgeschaltet und sie den Mann so schwer attackiert hatte. Und sie vermutete ihndirekt vor ihrer Nase. Sie hatte sich das ganze Jahr mit misshandelten Frauen befasst. Das musste zweifellos Auswirkungen auf ihr Seelenleben gehabt haben, dachte sie. Und auch, wenn sie all die fröhlichen Gesichter in diesem Raum mehr als glücklich machten, war sie froh, als sie alle wieder gegangen waren. Es war anstrengend immer zu lächeln, wenn einem eigentlich zum Schreien und Weinen zumute war.
    Während sie ihrem Vater half aufzuräumen, sah er sie mehrmals auffordernd an. Doch sie versuchte noch die richtige Formulierung ihres Problems zu finden. Es war nicht leicht jemandem zu erklären, dass man verrückt wurde. Auch, wenn es jemand war, der wie niemand sonst auf der Welt wusste, wie es in einem aussah.
    »Sie werden intensiver«, sagte sie irgendwann. »So intensiv, dass sie sich anfühlen wie echt.« Sie stellte die restlichen Teller in die Spüle und lehnte sich dann gegen den Küchentisch. »Ich habe heute Nacht… jemanden getötet.«
    Walter entgleisten die Gesichtszüge. Er sah seine Tochter mit aufgerissenen Augen an und ließ fast die Tasse fallen, die er gerade abtrocknete.
    »Nur im Traum«, sagte sie schnell. »Aber es war so real.« Sie senkte den Blick und seufzte. »Aber… irgendwie…«, sie traute sich nicht es auszusprechen, doch ihr Vater war der Einzige, dem sie ihre Träume in allen Einzelheiten erzählte und auch erzählen konnte. Nicht einmal ihr Arzt wusste, wie verwirrend und brutal sie manchmal waren. »Er… ist wieder aufgestanden, als sei gar nichts passiert. Die Frau, die ich vor ihm gerettet habe, sagte etwas von Wesen, die aus Hass und Angst bestünden.«
    Walter setzte sich jetzt an den Tisch und bat Aina sich zu ihm zu setzen. Dann kratzte er sich seine Bartstoppeln und begann zu analysieren: »Vermutlich dein Drang die Welt zu retten. Alle Menschen vor Leid beschützen zu wollen«, sinnierte er. »Dass erwieder aufgestanden ist bedeutet wohl, dass du dieser Aufgabe machtlos gegenüberstehst. Sie ist
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