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Agenten lieben gefährlichen

Agenten lieben gefährlichen

Titel: Agenten lieben gefährlichen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Cliff schielte auf Cascals Finger, er war bis zum Druckpunkt gekrümmt.
    Der Wagen raste in einem Bogen um die Stadt herum, hinaus zu den dreckigen Hügeln von Pico di Tijuca, wo an den Hängen die Elendshütten aus Wellblech, Holzlatten und Pappe, Unterkünfte der Ärmsten der Armen von Rio de Janeiro kleben. Die Slums des Paradieses.
    »Die Blumen in deinem Haar erinnern mich an den Rio Tefé«, sagte Cliff bedächtig. »An einem frühen Morgen war es, der Wald und der Fluß dampften in der Morgensonne, da kam ich von der anderen Seite des Flusses und brachte dir einen Korb unbekannter Blüten mit. Sie waren blutrot und trugen auf ihren inneren Blättern weiße Flecken, die aussahen wie geöffnete Lippen. Ich habe dich ausgezogen …«
    »Schweig!« schrie Rita. Ihre Stimme überschlug sich wieder. »Du verfluchter Hund, schweig!«
    »… ich zog dich aus, legte dich ins nasse Ufergras und streute die Blumen über dich. Dann liebten wir uns. Verdammt – das war eine heiße Stunde – und als wir auseinanderfielen, waren die Blumen zerquetscht, wie mit einem roten Brei warst du eingerieben, und du rochst wie eine einzige, riesige Rose.«
    »Stopf ihm den Mund, José!« keuchte Rita. Der Wagen schleuderte lebensgefährlich um die engen Kurven der Bergstraße. »Er soll aufhören! Aufhören! Aufhören!«
    Cascal schlug wortlos Cliff Haller auf den Mund. Die Lippe platzte auf, und Cliff leckte das hervorquellende Blut weg.
    »Das zahle ich Ihnen zurück«, sagte er zwischendurch. »Das war ein gemeiner, unfairer Schlag.«
    Von da ab lag dumpfes Schweigen in dem durch die Nacht rasenden Wagen. Die Elendsquartiere lagen hinter ihnen – jetzt begannen wieder die Villen der Reichen. Sommersitze im kühlenden Höhenwind. Parkähnliche Gärten, durch die Bäche rannen und aus denen Quellen sprudelten. Eine Pracht üppiger Bäume und Büsche, Fruchtbarkeit aus Sonne und Wasser. Vornehme Stille. Ein paar Laternen in den Gärten und an den Einfahrten. Nichts störte den Sternenhimmel, Rios zweiten Stolz nach dem Zuckerhut.
    Vor einer dunklen Villa hielt Rita den Wagen an und stieg aus. Cliff beugte sich vor und starrte aus dem Fenster.
    »Haben Sie beim Roulette gewonnen, Cascal?« fragte er. »Dieser Klotz kostet unter Brüdern zwei Millionen Dollar! Oder erwartet mich noch eine Überraschung?«
    »Nur Ihr Tod – aber der dürfte keine Überraschung mehr sein. Steigen Sie aus.« Cascal klinkte die Tür auf. Cliff stieg aus und streckte sich, als habe er stundenlang krumm gelegen. Auf der Straße erwartete ihn Rita und starrte an ihm vorbei ins Leere. Cascal schloß das schmiedeeiserne Tor auf und machte eine einladende Handbewegung. Cliff zögerte. Verrückte Angst kroch ihm den Buckel hoch. Hundertmal hatte er sich in Situationen befunden, aus denen ein Entrinnen pure Glückssache gewesen war. Aber er war immer wieder herausgekommen, er hatte es geschafft, mit Haken und Ösen und oft auch mit Leichen, wenn's sein mußte – und nie, verflucht, nie hatte er diese gemeine Angst gespürt, die ihn jetzt lähmte. Die Ausweglosigkeit war diesmal vollkommen. Jeder Schritt, den er jetzt ging, führte näher zum sicheren Tod. Wem eine solche Erkenntnis beschert wird, der hat das Recht, Angst zu spüren.
    Cascal grinste breit. Er ahnte, wie es Cliff zumute war. Rita stand hinter Haller, verbarg sich hinter seinem breiten Rücken, verkroch sich wie ein Hündchen. Die Erinnerung an die berauschende, glückliche, tobende Stunde am Ufer des Tefé unter der Morgensonne, im dampfenden Gras, als die Blüten zwischen ihren Körpern zu Brei zerrieben wurden, diese tosende Stunde der Wildheit, in der sie brüllten wie sich paarende Tiere, zerriß ihren Haß wie einen dünnen, morschen Schleier. Dahinter leuchtete die Liebe auf, die irrsinnige Liebe zu diesem Mann, der noch genau vierundfünfzig Schritte hatte bis zu seinem Tod.
    »Kopf hoch, Cliff!« sagte Cascal hämisch. »Sterben Sie wie der Mann, als der Sie immer gelebt haben und dessen Kaltblütigkeit stets ein Vorbild für Ihren Nachwuchs war. Sie haben doch nie Angst vor dem Sterben gehabt.«
    »Nein. Nie.« Haller ging langsam in den dunklen Park. Er hörte aus dem Finstern einen Bach rauschen. »Aber ich konnte mich immer wehren. Ich war nie bloßes Schlachtvieh, zu dem Sie mich jetzt degradieren.«
    »Ihr Pech, Cliff. Man kann sich seinen Tod nicht aussuchen.« Cascal riß ihm plötzlich die Arme nach hinten, Handschellen klickten um seine Gelenke. Das ist das Ende, dachte Haller.
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