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Aeternus - Eisiger Kuss: Roman (German Edition)

Aeternus - Eisiger Kuss: Roman (German Edition)

Titel: Aeternus - Eisiger Kuss: Roman (German Edition)
Autoren: Tracey O´Hara
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fesselte.
    Lisbet berührte Antoinette an der Schulter. »Er ist im zweiten Gang in der letzten Zelle von links.«
    »Geh zu ihm«, sagte Christian. »Lisbet und ich lassen inzwischen die anderen Gefangenen frei.«
    Antoinette nickte und lief den Korridor entlang. Keine der Türen in diesem Gang hatte ein elektronisches Schloss; sie waren lediglich mit Metallstäben verriegelt. Antoinette riss diese von den bewohnten Zellen ab, bis sie an jene kam, in der Lisbet zufolge ihr Vater sitzen sollte. Doch stattdessen fand sie einen alten Mann, der auf dem Rand seiner Pritsche saß. Hier musste ein Missverständnis vorliegen. Es schien die richtige Zelle zu sein, aber wo war der dunkelhaarige Riese mit dem breiten Lächeln, an das sie sich so deutlich erinnerte? Konnte dieser verhutzelte alte Mann wirklich ihr Vater sein?
    Antoinette schaute noch einmal in die Zelle und hob den Riegel. Verwirrung entstand unter den übrigen befreiten Gefangenen, als Lisbet um die Ecke bog und sie zum Aufzug führte.
    Der alte Mann in der Zelle bewegte sich nicht, sondern saß nur da und stützte den Kopf in die Hände. Antoinette ging vor ihm auf die Knie, ergriff die dünnen, zerbrechlich wirkenden Handgelenke und zog sie sanft von seinem Gesicht weg.
    Mit matten Augen sah er sie an und runzelte die Stirn. »Marianna?«, flüsterte er krächzend.
    Sie stieß einen Seufzer aus, »Nein, Papa. Ich bin es.« Tränen traten ihr in die Augen. Er sah uralt aus, sogar älter als Sergei. »O Papa, was hat er mit dir gemacht?«
    Seine Augen wurden etwas klarer. »Antoinette – mein kleines Mädchen?« Er streckte eine zitternde Hand aus, zog sie aber sogleich wieder zurück. »Nein, das ist nur ein weiterer grausamer Traum, der mich verspotten will.« Tränen quollen aus seinen Augen und zeichneten eine silberne Spur auf sein eingefallenes, ausgemergeltes Gesicht.
    Ein Schluchzen drang zwischen ihren Lippen hindurch, als sie seine Hand küsste, und ihre Wangen waren tränenfeucht. »Das ist kein Traum. Ich bin hier, Papa. Ich bin gekommen, um dich nach Hause zu bringen.«
    Er streckte die dünnen Arme aus und umfing sie mit all der Verzweiflung eines Menschen, der unter Schock stand. Sein Körper bebte unter starken Schluchzern, die ihr das Herz zerrissen. Diese abgemagerte Karikatur des großen, stolzen Mannes sehen zu müssen, der ihr Vater einst gewesen war, überstieg ihre Kräfte.
    Einige Minuten umarmten sie einander, aber die Zeit lief ihnen davon. Antoinette bezwang die Wut, die sie zu verzehren drohte. Am liebsten hätte sie jemanden für das, was ihrem Vater angetan worden war, in der Luft zerrissen. Wenn Lucian nicht schon tot wäre, hätte sie ihn jetzt tausendfach zerfetzt. Aber sie musste ihren Vater außer Gefahr bringen; um alles andere konnte sie sich später kümmern.
    Sie machte sich aus seiner Umarmung frei und wischte sich die heißen Tränen aus dem Gesicht. »Wir müssen gehen, Papa.«
    Ein lautes Donnern erschütterte den Komplex und setzte die Alarmsirenen in Gang. Die Korridore wurden sofort in rotes Blitzlicht getaucht.
    Antoinette half ihrem Vater aufzustehen. Es entsetzte sie, wie die Kleider von seinem halb verhungerten Leib herabhingen. Lucian hatte ihm offenbar kaum etwas zu essen gegeben. Sie schluckte ihr Entsetzen herunter, als sie sah, dass seine Beine fast zu schwach waren, um ihn zu tragen, bezwang ihr Mitleid und half ihm. Dieser uralte Mann war nicht mehr der Gott ihrer Kindheit.
    Seine dünnen Beine gaben nach, und sie schlang denArm um die skelettartige Hüfte ihres Vaters. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass er zusammenbrach, und sie bückt sich, um ihn aufzuheben. Er versuchte sich ihr zu widersetzen; Stolz und Verärgerung zeigten sich auf seinem Gesicht. Das war wieder der Vater, an den sie sich erinnerte.
    »Bitte, wir haben keine Zeit mehr«, rief sie durch den Lärm der Sirenen.
    Er sah sie noch einen Augenblick lang an, dann verschwand die Entschlossenheit in seiner Miene, und er gab auf. Er wog so wenig, dass Antoinette ihn sogar ohne ihre Aeternus-Kräfte mit Leichtigkeit hätte tragen können. Seine Verlegenheit verschwand, als er die Augen zusammenkniff und seine Tochter aufmerksam betrachtete.
    Antoinette trat aus der Zelle und sah, dass Oberon mit einem heruntergekommenen Haufen Paramenschen vor dem Aufzug stand.
    »Haben Sie das Gebiet gesichert?«, rief sie durch den Lärm der Sirenen und das Chaos.
    Er nickte und trieb die Gefangenen in den Lift.
    »Wo ist Christian?«
    »Ich glaube,
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