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Äon

Äon

Titel: Äon
Autoren: Greg Bear
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ausgerechnet dich?« fragte Rita.
    »Ich glaube, sie soll ihnen eine Zeitmaschine bauen«, bemerkte Paul. Immer wenn er das sagte, wurde Patricia sauer, aber dieses Mal tat sie es einfach mit einem Achselzucken ab.
    Sie konnte nicht verlangen, daß Paul ihre Arbeit begriff. Nur sehr wenige begriffen ihre Arbeit – aber ganz bestimmt nicht die Eltern und Freunde. »Paul hat noch mehr solche verrückte Theorien parat«, sagte sie. »Aber ich muß dazu schweigen.«
    »Wie ein Grab«, meinte Paul. »Es war nicht einfach mit ihr in den letzten Tagen.«
    »Wenn du nicht ständig versuchen würdest, mich zum Reden zu bringen!« Sie seufzte dramatisch – das tat sie neuerdings oft – und blickte zur cremefarbenen Küchendecke. Dann wandte sie sich an ihren Vater. »Es wird sehr interessant sein. Ich werde nicht direkt erreichbar sein. Ihr könnt mir unter dieser Adresse schreiben.« Sie schob den Telefonblock über den Tisch und notierte eine Militärpost-Adresse.
    »Ist es wichtig für dich?« fragte Rita.
    »Natürlich«, antwortete Ramon.
    Aber das wußte Patricia selber nicht. Es klang verrückt, selbst jetzt noch.
    Nachdem die Gäste gegangen waren, machte sie mit Paul einen Abendspaziergang durch die Nachbarschaft. Eine halbe Stunde gingen sie schweigend von Straßenlaterne zu Straßenlaterne. »Ich komme ja zurück«, sagte sie schließlich.
    »Ich weiß.«
    »Ich wollte dir mein Zuhause zeigen, weil es sehr wichtig für mich ist. Rita. Ramon. Das Haus.«
    »Ja«, sagte Paul.
    »Ich glaube, ohne es wäre ich verloren. Ich verbringe so viel Zeit in meinem Kopf, und was ich da tue, ist so anders… so bizarr für die meisten Leute. Wenn ich kein Zentrum hätte, keinen Ort, zu dem ich heimkehren könnte, dann würde ich mich hoffnungslos verirren.«
    »Das versteh’ ich«, meinte Paul. »Es ist ein schönes Zuhause. Ich mag deine Leute.«
    Sie hielt ihn an, und so standen sie Hand in Hand in Armeslänge voneinander und sahen sich an. »Ich bin froh«, sagte sie.
    »Ich möchte auch ein Zuhause mit dir schaffen«, sagte er. »Ein Zentrum für uns, in das wir gern heimkehren.«
    Ihr Ausdruck war so gespannt, als wollte sie ihn gleich anspringen. »Katzenaugen«, bemerkte Paul lächelnd.
    Sie machten kehrt und küßten sich auf der Veranda, bevor sie ins Haus gingen und sich zu Kaffee und Zimtkakao zu ihren Eltern setzten.
    »Einen kleinen Rundgang noch«, sagte sie, als sie zum Aufbruch nach Caltech rüsteten.
    Sie ging durch die Diele zum Bad, vorbei an den Abschlußfotos und dem gerahmten Inhaltsverzeichnis aus dem American Journal of Physics, in dem ihre erste Arbeit erschienen war. Davor blieb sie stehen und betrachtete es aufmerksam. Plötzlich schien ihr Herz einen Schlag auszusetzen, was eine eigentümliche Leere in ihrer Brust zurückließ, ein flüchtiges, fast angenehmes Gefühl, zu fallen, zu vergehen und wieder in die Normalität zurückzukehren.
    Das hatte sie schon einmal gespürt. Es war nichts Ernstes, nur ein eisiger Luftzug mitten durch die Brust – immer dann, wenn sie wirklich akzeptierte, wohin sie gehen sollte.

 
VIER
1174, Reisejahr 5 Nader
Axis City
     
    Der Präsidierende Minister der Axis City, Ilyin Taur Ingle, stand in der breiten Beobachtungskuppel und blickte über den Weg hinaus durch den blauen Dunst der Stadt auf hellerleuchtete Straßen mit unablässig fließendem Verkehr zwischen den Toren. Hinter ihm standen zwei zugeteilte Geister und in corpora ein Repräsentant des Hexamon Nexus.
    »Kennen Sie Olmy gut, Ser Franco?« symbolisierte der Präsidierende Minister mittels Graphiksprache.
    »Nein, Ser Ingle«, erwiderte der physische Vertreter, »obwohl er berühmt ist im Nexus.«
    »Drei Inkarnationen, eine mehr, als das Gesetz erlaubt, aufgrund außergewöhnlicher Verdienste. Olmy ist einer unserer ältesten noch leibverbundenen Bürger«, sagte der Minister. »Eine undurchschaubare Persönlichkeit. Er hätte längst seine Mehrheitsrechte verwirkt und sich ins Stadtgedächtnis zurückgezogen, wäre da nicht sein Nutzen für den Nexus.« Der P.M. befahl einem Sprüher, seine Spezialmischung von Talsit freizusetzen. Der Nebel erfüllte einen würfelförmigen Raum, den ein leicht schimmerndes rotes Traktionsfeld umschloß. Ingle betrat das Feld und tat einen tiefen Atemzug.
    Die Geister hatten sich nicht bewegt; sie verharrten regungslos, bis sie angerufen wurden. Sichtbar waren sie nur deshalb, um zu verdeutlichen, daß ihre im Stadtgedächtnis gespeicherte Persönlichkeit auf die
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