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Adiós Hemingway

Adiós Hemingway

Titel: Adiós Hemingway
Autoren: Leonardo Padura
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schielte. »Ein Arschloch ist und bleibt ein Arschloch, auch wenn er in die Kirche rennt und sogar zur Beichte geht. Und ein kaputter Typ, der einmal Polizist war, ist und bleibt Polizist. Darum, Conde.«
    »Und warum erzählst du mir nicht was Interessantes, anstatt so ’n Stuss zu reden?«, gab Mario zurück. »Mit dem, was ich bis jetzt gehört hab, kann ich nicht mal …«
    »Weil es im Moment nichts zu erzählen gibt … Und auch nicht geben wird, glaub ich. Das ist vierzig Jahre her, Conde.«
    »Sag mir die Wahrheit, Manolo: Für wen ist der Fall von Interesse?«
    »Willst du wirklich die Wahrheit wissen? Die reine Wahrheit? Zurzeit nur für dich, den Toten und Hemingway, und für sonst niemand. Also, mir ist die Sache völlig klar. Hemingway war ein äußerst reizbarer Mensch. Irgendwann ist ihm irgendjemand zu sehr auf den Zeiger gegangen, und da hat er ihm zwei Schüsse verpasst. Dann hat er die Leiche vergraben, und keiner hat danach gefragt. Später hat sich Hemingway eine Kugel in den Kopf geschossen, und damit hatte sich die Sache. Ich hab dich angerufen, weil ich wusste, dass dich die Geschichte interessieren würde. Ich will ’ne Weile warten, bevor ich den Fall zu den Akten lege. Sobald er nämlich in den Akten liegt, besteht die Gefahr, dass was davon durchsickert, und dann geht die Story von der Leiche auf Hemingways Grundstück um die ganze Welt, da kannst du einen drauf lassen …«
    »Und natürlich wird man annehmen, dass Hemingway der Mörder ist. Aber wenn er nicht der Mörder ist?«
    »Genau das sollst du rauskriegen, wenn du kannst … Schau mal, Conde, ich steck bis hier in Arbeit.« Der Teniente hob die Hand bis zu den Augenbrauen. »Es wird von Tag zu Tag schlimmer. Diebstahl, Betrug, Raubüberfälle, Prostitution, Pornografie …«
    »Schade, dass ich kein Bulle mehr bin. Ich liebe Pornografie.«
    »Red keinen Scheiß, Conde! Pornografie mit Kindern!«
    »Dieses Land ist verrückt geworden.«
    »Der Satz stammt nicht von dir … Meinst du, ich hätte da noch Zeit, mich mit Hemingways Leben zu beschäftigen, um herauszufinden, ob er den Mann umgebracht hat oder nicht? Einer, der sich vor tausend Jahren selbst umgebracht hat?«
    El Conde schaute lächelnd aufs Meer hinaus. »Weißt du was, Manolo? Ich würde liebend gerne feststellen, dass Hemingway der Täter war. Der Kerl geht mir nämlich schon seit Jahren mächtig auf den Sack. Andererseits könnte ich es nicht haben, dass man ihm einen Mord anhängt, den er nicht begangen hat. Deswegen werd ich mich darum kümmern … Hat man die Stelle, an der die Leiche gefunden wurde, schon gründlich untersucht?«
    »Nein, Crespo und El Greco gehen morgen hin. So was kann kein x-beliebiger Totengräber machen …«
    »Und du, was hast du vor?«
    »Ich werd mich um meinen eigenen Kram kümmern. In einer Woche, wenn du mir erzählst, was du weißt, werd ich den Fall abschließen und ihn so schnell wie möglich vergessen. Sollen doch andere in die Scheiße greifen …«
    El Conde schaute wieder aufs Meer. Er wusste, dass der Teniente Recht hatte. Trotzdem fühlte er eine seltsame Unruhe in sich. War ich vielleicht zu lange Polizist?, dachte er. Aber danach bin ich nur noch Schriftsteller, dachte er weiter. Er durfte seine großen Pläne nicht aus den Augen verlieren.
    »Komm mal mit, ich will dir was zeigen«, sagte er zu seinem Freund und stand auf. Ohne auf Manolo zu warten, überquerte er die Straße und ging zu einem Rondell mit einer Art offenem Pavillon, unter dessen Bogen das Podest mit der Bronzebüste stand. Die letzten schwachen Sonnenstrahlen fielen schräg auf das mit Grünspan bedeckte, beinahe lächelnde Gesicht des dort verewigten Schriftstellers.
    »Als ich mit dem Schreiben anfing, hab ich versucht, es so zu machen wie er«, sagte El Conde, den Blick auf die Skulptur gerichtet. »Er war sehr wichtig für mich.«
    Von all den Huldigungen, Erinnerungen und Ausbeutungen, die der Name und die Person Hemingways in Kuba erfahren hatten, schien ihm nur diese Büste hier sinnvoll und aufrichtig zu sein, denn sie war schlicht wie die Sätze, die dem Schriftsteller in seiner letzten Zeit als Journalist beim Kansas City Star gelungen waren. Übertrieben und wenig literarisch dagegen fand er es, dass ein von ihm selbst ins Leben gerufenes Turnier im Schwertfisch-Angeln ihn überlebt hatte und nun auf ewig mit seinem Namen verbunden war. Falsch und geschmacklos – buchstäblich schlecht schmeckend – fand er auch jenen »Papa Doble«, den er
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