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Accra: Roman (German Edition)

Accra: Roman (German Edition)

Titel: Accra: Roman (German Edition)
Autoren: Kwei Quartey
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hinten gewandten Kopf, zu dem haben Sie Ebenezer gemacht. ›Nicht das Knie trägt den Hut, solange der Kopf frei ist.‹ Das war Comfort, der Sie die Kniescheiben entfernten. Musa: ›Wir müssen bis eins zählen, ehe wir bis zwei zählen können‹, also haben Sie ihm alle Finger bis auf einen abgehackt. Stimmt’s?«
    Obi wandte den Blick ab.
    Dawson lehnte sich wieder zurück. »Und das letzte Sprichwort: ›Niemand spuckt auf den Boden und leckt es mit der Zunge auf.‹ Sie haben Ofosu die Zunge herausgeschnitten. Einem niedlichen Jungen, der gern redete und herumalberte. Sie hingegen sind kaltblütig und böse.«
    Obi zitterte. »Aber wie ... wie konnten Sie wissen, was ich mit dem Kohleofen vorhatte?«
    »Wozu brauchten Sie einen Kohleofen? Sie hatten mir selbst erzählt, dass Dr. Botswe Ihnen vor Jahren einen Gasherd gekauft hatte. Sie brauchten den Grillrost oben auf dem Ofen. ›Jeder erklimmt die Leiter zum Tod‹, lautet der passende Spruch. Sie wollten dieses Leitermuster in Akosuas Haut einbrennen.«
    Obi nickte. »Ja.«
    »Was sollten eigentlich diese Sprüche?«
    »Jeder kann töten, Sir, aber die wenigstens können töten und ein Zeichen der Weisheit auf der Leiche hinterlassen. Ghanaische Sprichwörter sind die weisesten von allen.«
    »Ein Zeichen der Weisheit hinterlassen«, wiederholte Dawson. »So nennen Sie all die Verstümmelungen?«
    »Ja, Sir. Aber bitte, Sir, wie haben Sie mich gefunden?«
    »Ich rief Dr. Botswe an und fragte ihn, wo Sie wohnen. Er sagte Madina, aber dann glaubte er sich zu erinnern, dass Sie irgendein Haus in Jamestown haben. Ich wusste, dass es in der verlassensten Ecke von Jamestown sein musste, und der einzige Bereich, der verlassen genug ist, liegt nahe der Lagune, wo nicht gebaut werden darf und alle alten Gebäude seit Langem geschlossen sind. Seit Jahren fahre ich an der Woodcrest-Services-Fabrik vorbei und habe sie nie beachtet. Aber es ist das einzige alte Gebäude dort, das komplett verrammelt ist, sodass keiner hineinsehen kann.«
    Obis Schultern fielen nach vorn und zuckten wild, als er zu weinen begann.
    Dawson stand auf. »Weißt du, warum er weint?«, fragte er Chikata. »Weil er erwischt wurde. Das ist das Einzige, was ihm leidtut. Nicht die Leute, die er abgeschlachtet hat, denn für die empfindet er nichts .«

54
    Um zu feiern, führte Dawson Christine und Hosiah zum Essen ins Maquis Tante Marie aus. Das Restaurant war eigentlich viel zu teuer, aber das kümmerte Dawson nicht. Er wollte etwas Besonderes, und was machte schon ein Tag mehr, an dem er pleite war? Noch dazu versetzte er Chikata in helles Staunen, indem er ihn dazu einlud. Wie nicht anders zu erwarten, konnte eine der Kellnerinnen die Augen nicht von Chikata lassen, und, wie ebenfalls nicht anders zu erwarten, bekam er ihre Telefonnummer, als sie gingen. Dawson und Christine sahen einander an und grinsten.
    Auf dem Weg nach draußen zog Hosiah plötzlich an Chikatas Hand und sagte: »Onkel Philip, du kannst am Samstag zu uns kommen und mit meinen Autos spielen, wenn du willst.«
    Zuerst schien Chikata sprachlos, dann strahlte er übers ganze Gesicht und lachte. »Tja, da muss ich aber vorher deinen Daddy fragen, okay?«
    »Die Antwort ist Ja«, sagte Dawson schmunzelnd.
    Sie nahmen Chikata mit zur Polizeikaserne und verabschiedeten sich von ihm. Kurz hinter der Ako Adjei Interchange entdeckte Dawson jemanden am Straßenrand und hielt an.
    »Warum halten wir hier?«, fragte Christine.
    »Da ist Sly«, sagte Dawson, der bereits seine Tür geöffnet hatte.
    Er lief zurück zu der Stelle, an der Sly stand.
    Für einen kurzen Moment guckte Sly ängstlich in seine Richtung, ehe sein Gesicht förmlich aufleuchtete.
    »Mr. Darko!«, rief er und kam Dawson entgegengelaufen.
    Dawson kniete sich hin und breitete die Arme aus, in die sich der Junge warf.
    »Ich habe überall nach dir gesucht«, sagte Dawson. »Wo warst du?«
    Er hielt Sly auf Armeslänge. Der Junge war abgemagert, seine Kleidung noch abgerissener als zuvor, aber das Funkeln in seinen Augen war noch da.
    »Ich wohne nicht mehr in Agbogbloshie«, erklärte Sly. »Mein Onkel ist nach Norden und hat mich hiergelassen.«
    »Und wo wohnst du jetzt?«
    »Ach, na ja, eben auf der Straße. Am Tag versuche ich, Arbeit zu finden, und abends suche ich mir einen Schlafplatz.«
    Dawson schüttelte den Kopf. Sly wird kein Straßenkind!
    Christine und Hosiah kamen zu ihnen.
    »Das ist Sly«, stellte Dawson vor.
    »Aha!«, sagte Christine. »Der Junge,
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