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Abschied von der Küchenpsychologie

Abschied von der Küchenpsychologie

Titel: Abschied von der Küchenpsychologie
Autoren: Hans-Peter Nolting
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Statistiken der Wirtschaftsexperten erschüttern, die das Gegenteil bewiesen.
    Skepsis zeigt sich vor allem darin, dass man fragt, worauf sich eine Behauptung gründet: «Woher weißt du das?» bzw. «Woher weiß ich das?» Auf den Teuro angewandt heißt das: «Woher weißt du, dass die Preise gestiegen sind?» Dann kommen vermutlich persönliche Beispiele. Und die nächste Frage wäre: «Woher weißt du, dass sich diese Erfahrungen verallgemeinern lassen?» Und nun müsste man entweder die Wirtschaftsstatistiker zitieren oder seine Aussage schön subjektiv formulieren: «Mein Eindruck ist, dass …»
    Ein anderes Beispiel: In einem Morgenmagazin im Radio wurde ein Schulforscher zu den Befunden von Pisa 2000 befragt. Er äußerte sich vorsichtig und betonte, dass man ohne weitere Forschungen noch nicht sicher sagen könne, wie die mäßigen Schulleistungen der deutschen Schüler/innen zu erklären seien. Kurze Zeit nach diesem Interview folgte zum selben Thema eine Mitmach-Sendung: «Rufen Sie uns an. Sagen Sie uns Ihre Meinung». Und nun, Sie ahnen es schon, meldeten sich reihenweise Anrufer, die, anders als der Schulforscher, über die Gründe der Pisa-Ergebnisse genau Bescheid wussten.
    Gehört es nicht auch zur Allgemeinbildung, dass man zu unterscheiden weiß zwischen Fragen, bei denen es um
Meinungen
geht (z.B. Lebensgestaltung, Ethik), und Fragen, für die man beträchtliche
Sachkenntnisse
benötigt?
    Psychologisches Wissen kann aber nicht nur Skepsis fördern. Es kann zuweilen auch helfen, Täuschungen zu durchschauen, die von Menschen absichtsvoll eingesetzt werden. Dies ist ein eigenes großes Gebiet für sich; man denke an Werbung, an politische Propaganda oder irreführende Statistiken. Wer die Kunst des Täuschens beherrscht, kann damit Macht ausüben oder Geld verdienen. Selbst wenn man die Tricks nicht im Einzelnen erkennt, ist daher eine skeptisch-vorsichtige Haltung doch ein Gebot des Selbstschutzes.
    Beispiel Astrologie. Gewiefte Astrologen können Persönlichkeitsgutachten so formulieren, dass sie auf die meisten Menschen sehr persönlich und überzeugend wirken, obwohl sie es nicht sind. Um dies zu demonstrieren, bot einmal ein Psychologe in einer Pariser Tageszeitung eine kostenlose astrologische Persönlichkeitsbeschreibung an (nach Myers, S.  611 ). Die Interessenten bat er um eine Rückmeldung darüber, wie sie das Gutachten einschätzten. 94 Prozent fanden sich erstaunlich treffend beschrieben. Bekommen hatten alle denselben Text – die astrologische Begutachtung eines Serienmörders.

2. Reicht nicht der «gesunde Menschenverstand»?
    Wenn es etwa um Kenntnisse in Chemie oder einer Fremdsprache geht, sagen viele Menschen ohne Zögern: «Oh, da habe ich keine Ahnung.» Bei psychologischen Fragen hingegen redet fast jeder gerne mit: «Also, ich glaube …»
    Warum ist das so? Weil die persönliche Lebenserfahrung sowie Zeitungen und Fernsehen tatsächlich für genügend psychologische Allgemeinbildung sorgen? Weil uns die wissenschaftliche Psychologie als neues Forschungsergebnis präsentiert, was die Oma auch schon immer gesagt hat? Weil also der Umgang mit psychologischen Fragen nur eine Sache des gesunden Menschenverstandes ist?
    2.1 Jeder Mensch denkt psychologisch – es geht gar nicht anders
    Dass Menschen häufig über psychologische Fragen reden, liegt zunächst einmal daran, dass sie es gar nicht vermeiden können. Unentwegt gibt es irgendwelche Anlässe, und dann fallen z.B. Aussagen wie diese:
    «Also, die Gabi würde sicher gut in unsere WG passen» – «Die Mieterin war sehr ordentlich gekleidet, da wird sie wohl auch die Wohnung in Ordnung halten» – «Klar könnte er die Schule schaffen; er muss nur wollen» – «Es ist gut, dass er jetzt Fußball spielt; da lernt man, sich an Regeln zu halten» – «Ein Kind braucht die Mutter; deshalb sollte sie nicht arbeiten gehen» – «Dieser Rambo-Typ kompensiert doch nur seine Minderwertigkeitskomplexe» – «Bei so vielen Problemen sollte sie mal in Urlaub fahren, damit sie auf andere Gedanken kommt» – «Gäbe es härtere Strafen, würde ein Kindermörder sicher vorher noch mal überlegen, was er da tut».
    Wir brauchen solche Überlegungen, um Entscheidungen zu treffen, um mit Menschen umzugehen, um einen Rat zu erteilen oder bei einem Streitthema einfach nur mitzureden. Aus solchen Gründen sind wir auch fortlaufend dabei, uns das Verhalten von Menschen zu erklären: Preist mir der Verkäufer diesen Artikel an,
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