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Abschied von der Küchenpsychologie

Abschied von der Küchenpsychologie

Titel: Abschied von der Küchenpsychologie
Autoren: Hans-Peter Nolting
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tatsächlich bestimmen, und wie man sie als Ansatzpunkte für den Umweltschutz nutzen kann.
    Dass der große Bereich des
Verkehrs
viele psychologische Aspekte enthält, ist allgemein bekannt. Denken wir beispielsweise an Alkohol am Steuer, aggressives Verhalten im Straßenverkehr, den «Idiotentest», Ursachen für Verkehrsunfälle, ergonomische Fahrzeuggestaltung und nicht zuletzt die Verkehrsmittelwahl.
    Weiterhin hat auch das
Wohnen
mit Psychologie zu tun. So ist die Architektur einer Wohnung nicht ohne Einfluss auf die Wohnzufriedenheit. Sie kann sogar zu Konflikten in der Familie beitragen (hierzu ein Beispiel auf S.  72 ). Überdies kann die Gestaltung einer Wohnanlage die sozialen Kontakte, das Spielverhalten von Kindern oder die Kriminalitätsrate mitbestimmen.
    Es gibt noch viele andere Sachverhalte, bei denen das Denken, Fühlen und Verhalten von Menschen eine zentrale Rolle spielt. Nur wenige Stichwörter aus ganz unterschiedlichen Bereichen seien hier noch genannt: Sport, Musik, Rechtsprechung, Tourismus, Gesundheit, Wahlkampagnen, Arbeitsschutz, Massenmedien.
    Natürlich würde es weit über jede gute Allgemeinbildung hinausgehen, zu all diesen speziellen Kontexten psychologische Kenntnisse zu erwerben. Auch ein Psychologiestudium vermittelt das nicht. Aber kann man vernünftig begründen, warum ausgerechnet ein Fachgebiet, dessen Themen sich durch nahezu alle Bereiche der Welt hindurchziehen,
nicht
zur Allgemeinbildung gehört?
    1.3 Psychologie – ein Beitrag zur Skepsis
    Gebrauche deinen eigenen Verstand, statt nur den Autoritäten nachzuplappern! So lautete die Botschaft von Kant und anderen Aufklärern. Und mit der Demokratisierung der Gesellschaften ist dies zu einem weithin akzeptierten Bildungsziel der Schulen geworden. Vom mündigen Menschen ist die Rede, vom selbständigen und vom kritischen Denken. Gäbe es Menschen, die nie irren und denen man daher blind folgen kann, wäre die Mündigkeit jedes Einzelnen ein überflüssiges Bildungsziel. Doch wer würde heute noch bezweifeln, dass die menschliche Urteilsbildung
grundsätzlich
ein subjektiver Vorgang ist, und dass dabei auch Fehlerquellen einfließen können?! Weil die Psychologie die subjektive Welt untersucht, weil sie unser Wahrnehmen und Denken und auch die dabei mitspielenden Täuschungen erforscht, deshalb ist sie wie kaum ein anderes Fach geeignet, das genannte Bildungsziel zu unterstützen.
    Nehmen wir die Täuschungen unserer Wahrnehmung: Dass wir unseren Augen nicht immer trauen können, ist bekannt.
Sehen
wir denn nicht, dass die Sonne sich um die Erde dreht, und
sehen
wir denn nicht, dass die Tischplatten (s.S.  20 ) unterschiedliches Format haben? – obwohl beides nicht stimmt. Wir wissen überdies, dass eine Erkenntnis nicht schon deshalb wahr sein muss, weil sie praktisch von allen Menschen geteilt wird – wie in der Zeit vor Kopernikus.

    Ein Mensch ist auch nicht umso näher an der Wahrheit, je stärker seine Überzeugung ist; sonst wären Fanatiker die wirklichen Wahrheitsfinder (was sie selbst natürlich glauben). Eine weitere wichtige Quelle unserer Täuschungen liegt nämlich in unserem Streben nach «Konsistenz», nach «Stimmigkeit» in unserem Denken. Wir nehmen gerne Informationen auf, die zu unserer Meinung passen, und entwerten gegenläufige Informationen. So mag also sonnenklar sein, dass in der Zeitung des politischen Gegners «manipuliert» wird – aber wer fühlt sich von seinem eigenen Parteiblatt manipuliert? Extrem konsistente Ansichten haben sich von allen Abwägungen verabschiedet – sie kennen nur noch Schwarz und Weiß.
    Das Bildungsziel, um das es hier geht, wäre mithin eine Denkhaltung, die Irrtümer für möglich hält und danach fragt, worauf sich eine Aussage stützt. In diesem Sinne kann man von «kritischem» Denken sprechen. Da «kritisch» aber auch die Bedeutung von «negativ urteilend» hat, ist «skeptisches» und «prüfendes» Denken vielleicht noch treffender. In jedem Fall muss sich diese Denkhaltung auch auf die eigene Person beziehen, also auch selbstkritisch bzw. selbstskeptisch sein, denn täuschen können sich eben nicht nur die anderen.
    Ein Beispiel: Kurz nach seiner Einführung bekam der Euro einen Spitznamen: Teuro. Selektive Erfahrungen, in diesem Fall beispielsweise mit gestiegenen Restaurant- und Gemüsepreisen, führten bei vielen Menschen zu dem «Teuro-Eindruck», und wer «überzeugt» war, dass der Eindruck stimmte, ließ sich auch nicht so leicht von den
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