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Abitreff (German Edition)

Abitreff (German Edition)

Titel: Abitreff (German Edition)
Autoren: Darius von Benin
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wohl anders aussehen, aber es war ausgerechnet sein Vater gewesen,
der ihn, Cihad Ibrahim Benlimane, seinen zweitgeborenen Sohn, auf die CAS, die
amerikanische Schule in Casablanca, geschickte hatte. Dort lernte er wohl die
falschen Dinge und die falschen Fragen zu stellen, jedenfalls für seinen
religiösen Vater.
    Seine etwas andere Lebensauffassung, seine ziemlich westlich beeinflusste
Art, führte oft zum Streit, besonders mit seinem Vater. Damit hätte er ja noch
leben können, aber als seine Eltern ihn am Tag nach der feierlichen Verleihung
des International Baccalaureate mit seinem Zimmergenossen Rob Adams nackt im
Bett und bei gewissen Tätigkeiten erwischt hatten, war das Tischtuch endgültig
zerschnitten und Holland in Not.
    Wie einen Schwerverbrecher nahmen sie ihn mit zurück in die
marokkanische Provinz. Seine Familie, besonders die männlichen Mitglieder,
wollten ihn von dieser perversen und sündigen Krankheit heilen, ihn auf den
rechten Pfad der Tugend zurückführen. Zum großen Eklat kam es, als es auch dort
zu einem Vorfall der zwischenmenschlichen Art kam. Man prügelte auf ihn ein,
trat ihn mit Füßen, drückte Zigaretten auf ihm aus und warf ihn dann, nach mehr
als vier Stunden körperlicher Tortur, in den Straßengraben; selbst die Gnade
der Erlösung, um die er gebettelt hatte, wurde ihm verwehrt; seine Leute
wollten ihn leiden sehen.
     
    Die Nachrichten im Lokalradio verkündeten nicht viel Neues, seit Tagen
waberten Gerüchte um einen Vergabeskandal beim Bau der neuen Stadtbücherei
durch die örtliche Presse, aber nichts Genaues wusste man nicht. Matthias hatte
auch nichts erwähnt, aber für ihn endete die Arbeit in der Regel mit dem Verlassen
des Rathauses, Akten brachte er nie mit. Die einzig interessante Meldung war,
dass die Polizei in den frühen Morgenstunden bei einer Razzia gegen Rechts auch
Wohnungen und Häuser in der Stadt durchsucht hatte.
     
    Er hatte es sich gerade am Pool gemütlich gemacht, als das Telefon
klingelte. „Benlimane-Richard!“
     
    „Hier auch!“ Sein Gatte meldete sich. „Na? Gut aus dem Bett gekommen?“
     
    „Habe dich vermisst! Warum hast du mich schlafen lassen?“
     
    Ein Lächeln war zu hören. „Du sahst so göttlich aus, wie du so ruhig
geschlafen hast, da habe ich es einfach nicht übers Herz gebracht, dich zu
wecken, Habibi.“ Ein Räusperer erfolgte. „Aber deshalb rufe ich nicht an: Wir
müssen unsere Pläne für heute Abend ändern.“
     
    Das hörte sich so gar nicht nach seinem Matze an, denn eigentlich
wollten sie abends erst ins Kino und anschließend auf ein Bier ins Blueberry,
die einzig schwule Kneipe der Stadt. „Und warum?“
     
    „Wir hatten gerade Besuch von Polizei und Staatsanwaltschaft.“ Matthias
sprach leise.
     
    „War es wegen der Nazis? Kam gerade im Radio!“ Der Berber stutzte.
     
    „Nein, man hat die Piepenkötter verhaftet.“ Seine Stimme wurde noch
leiser, verkam fast zu einem Flüstern, als er seinem Gatten die ganze
Geschichte erzählte. Dorothea Piepenkötter, mit halber Stelle Leiterin der
Vergabestelle und mit der anderen Hälfte Vorsitzende des Personalrats, war
wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und der Vorteilsannahme verhaftet
worden.
    Matthias selbst hatte den Stein ins Rollen gebracht. Dank des
Orkantiefs ‚Ulli’ war zu Jahresbeginn eine der Tannen seines Nachbarn auf das
Dach des Schwimmbads gefallen und hatte dabei etliche Pfannen in
Mitleidenschaft gezogen, die nun dringend ersetzt werden mussten. Die
Versicherung des Nachbarn übernahm den Schaden, bat aber, aufgrund der Vielzahl
der Schadensfälle, um aktive Unterstützung bei der Regulierung derselben. Der
Beamte fragte daraufhin – von seinem dienstlichen Rechner aus – bei einigen
Dachdeckern an, ob diese überhaupt noch Kapazitäten für seinen Schaden
freihätten. Einer der Angeschriebenen fragte zurück, ob man diesen Auftrag mit
dem „städtischen Gutschriftskonto“ verrechnen könne, denn nur dann würde man
ein Angebot abgeben.
    Dem Controller kam diese Rückfrage mehr als nur etwas merkwürdig vor.
Er stellte Nachforschungen an, stieß dabei auf Ungereimtheiten und informierte
letztlich seinen Dezernatsleiter, den neuen Stadtkämmerer Jochem Grementhal.
Später schaltete man dann auch den Oberbürgermeister ein und zusammen mit
diesem und den Leitern des Personal- und des Rechtsamtes beschloss man, in
geheimer Sitzung versteht sich, das Verfahren an die zuständige Stelle der
Bezirksregierung und die
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